Hamburg. Ein Programm wie in vorpandemischen Zeiten. Generalintendant Christoph Lieben-Seutter: „Noch nie gab es so kurzfristig so viele Karten“.
Bei der letzten Saison-Vorstellung hatte die Programmbuch-Schwarte mächtige Ausmaße, doch von diesen Inhalten sollte fast alles tragisch platzen. Für die Spielzeit 2021/22 der Elbphilharmonie wurde es auf handlicheres Paperback-Format komprimiert. Substanzarmer ist es deswegen nicht, das All-you-can-hear-Buffet ist reich gefüllt.
Wie in den vor-pandemischen vier Lebensjahren der Elbphilharmonie ist es nun – mit optimistischem Blick auf bessere Zeiten – fast einfacher aufzuzählen, wer eigentlich nicht kommen soll. „Es geht wieder live“, begann Generalintendant Christoph Lieben-Seutter seinen gestreckten Galopp durch die „volle, tolle Saison“.
Elbphilharmonie präsentiert Boston Symphony
Das längste Engagement – gleich über zwei Jahre – bringt den Dirigenten und Komponisten Esa-Pekka Salonen als „Multiversum“-Thema und Residenzkünstler mehrfach zurück in den Großen Saal, den er wie kaum ein anderer Klangversteher virtuos beherrscht. Corona sorgte allerdings dafür, dass das Debüt mit seinem neuen Orchester aus San Francisco um ein Jahr auf 2022 vertagt werden musste.
So bleibt das Boston Symphony mit Andris Nelsons das einzige der traditionellen US-Star-Orchester. In dieser Saison dirigiert Salonen zwei NDR-Konzerte und ist bei zwei weiteren als Stück-Lieferant dabei, bevor es im März als NDR-Gast intensiver wird.
Liebling des Hamburger Publikums: Teodor Currentzis
Nach zwei durch Corona ausgebremsten Versuchen, alle neun Beethoven-Sinfonien mit „Le Concert des Nations“ vorzustellen, ist Jordi Savall nun mit immerhin zwei Dritteln für Laeiszhallen-Termine im Programm. Komplett, also mit sieben an drei Tagen hintereinander, soll der finnische Senkrecht-Durchstarter Klaus Mäkelä mit dem Oslo Philharmonic alle Sibelius-Sinfonien bringen.
Eine Saison ohne Publikumsliebling Teodor Currentzis wäre keine, er kommt für vier Konzerte, je zwei mit seinem MusicaEterna-Ensemble und dem SWR-Orchester. Valery Gergiev, ästhetisch das genaue Gegenteil, hat ebenfalls vier Termine; Semyon Bychkov, neuer Chef der Tschechischen Philharmonie, dirigiert, ganz überraschend, vorwiegend Tschechisches.
NDR Elbphilharmonie Orchester mit Yo-Yo Ma
Weitere prominente Namen und Konstellationen sind die Mozart-Durchleuchtungen des norwegischen Pianisten Leif Ove Andsnes und des Mahler Chamber Orchestra. Für den Saisonstart des NDR Elbphilharmonie Orchester hat Alan Gilbert den Über-Cellisten Yo-Yo Ma verpflichten können, mit dem Barber-Konzert als dessen Comeback nach der Eröffnungs-Saison.
Turbo-Pianistin Yuja Wang hat sich für ihre fünf Termine mit diversen Orchestern fast nur Schwergewichte von Liszt, Rachmaninow oder Strauss vorgenommen. Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und die Cellistin Sol Gabetta, seit langem befreundet, spielen einen Duo-Abend im Großen Saal. Zubin Mehta und sein florentinisches Festival-Orchester haben sich angekündigt.
Elbphilharmonie-Programm bietet auch Opern
Bei den konzertanten Opern fällt es schwer, einen Favoriten zu nennen: Webers „Freischütz“ mit René Jacobs, Janaceks „Schlaues Füchslein“ mit Mirga Grazinyte-Tyla und ihrem CBSO, Monteverdis Barock-Meisterwerk „L’Orfeo“ mit Europa Galante und Fabio Biondi?
Oder doch, des brutalen Aufwands wegen, B.A. Zimmermanns „Soldaten“, die Francois-Xavier Roth dirigiert und Regisseur Calixto Bieito, Zimmermanns Vorgaben gehorchend, in die Fast-Kugelgestalt des Konzertsaals bringen will? Diese Konkurrenz für die Staatsoper belebt das Geschäft.
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Zwei der drei „Reflektor“-Porträt-Pakete sind Nachholer, sowohl Max Richter als auch Anoushka Shankar. Neu und extrem ausgiebig wird die Carte-blanche-Programmatik des New Yorker Freistil-Saxophonisten John Zorn sein, der 15 Konzert-Ideen in vier Tage hineinzwängt, darunter ein Set, in dem Sopranistin Barbara Hannigan singt (Lieben-Seutter zum Schwerpunkt: „Da bleibt kein Auge trocken, das musste mal sein.“).
An den Rändern des Altbekannten tut sich einiges: Mit dem Bariton Matthias Goerne hat man einen leidenschaftlichen Anwalt für Hanns Eisler, auch Bariton Florian Boesch bekommt einige Porträtkonzert-Termine. Vielversprechende Gäste bei den Lieder- und Arienabenden sind Asmik Gregorian oder Lea Desandre.
Elbphilharmonie feiert fünften Geburtstag
Dass das Hamburger Konzerthaus und Wahrzeichen am 11. Januar 2022 seinen fünften Geburtstag feiert, wird mit einigen Spezial-Konzerten gewürdigt. Am Jubiläumstag selbst dirigiert NDR-Chefdirigent unter anderem Salonens „Wing on Wing“, das er für die Eröffnung der Walt Disney Concert Hall in L.A. komponierte, und John Adams‘ Kracher „Short Ride in a Fast Machine“.
Weitere Party-Pläne zum Fünften werden im Herbst veröffentlicht. Gilberts größte Herzensangelegenheit dürfte sein Schwerpunkt „America’s Age of Anxiety“ mit Greatest Hits und Specials sein, darunter auch Charles Ives‘ monumentale 4. Sinfonie und Korngolds hollywoodsüffiges Violinkonzert.
Karten für Elbphilharmonie-Konzerte ab 15. Juni
Sowohl im Alte- als auch im Neue-Musik-Segment ist alles da, was Rang und Namen hat, vom Ensemble Modern und dem Ensemble Musikfabrik bis zur Akademie für Alte Musik Berlin und Thomas Hengelbrocks Balthasar-Neumann-Ensembles. Im Jazz-Sortiment finden sich Namen wie der Gitarrist Bill Frisell, die Sängerin Cécile McLorin Salvant oder der Pianist Uri Caine. Die Reihe „Made in Hamburg“ bringt die Rapperin Hayiti an den Start.
Beim Kartenverkauf gilt das Wunschkonzert-Prinzip: Wer möchte, kann sich ab dem 15. Juni vormerken lassen. Abo-Bestellungen sind schon jetzt möglich. Der Vorverkauf für Konzerte soll immer am Dienstag des Vormonats beginnen. Logistisch alles andere als ein Vergnügen, doch auch das sieht Lieben-Seutter inzwischen pragmatisch: „Noch nie gab es so kurzfristig so viele Karten.“
Einige Highlights der kommenden Saison im Stichwort-Überblick:
- Andris Nelsons dirigiert Richard Strauss (Boston Symphony Orchestra & Gewandhausorchester)
- Daniel Barenboim dirigiert Robert Schumann (Staatskapelle Berlin)
- Sir Simon Rattle ist fünf Mal zu Gast in der Elbphilharmonie
- Teodor Currentzis kommt für vier Konzerte in die Elbphilharmonie
- Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist drei Mal mit Chefdirigent Paavo Järvi zu Gast
- Anoushka Shankar, Max Richter und John Zorn dürfen als "Reflektoren" für mehrere Tage die Elbphilharmonie gestalten