Hamburg. 25 Jahre leitete sie den Bücherpavillon am U-Bahnhof Hallerstraße nahe der Universität Hamburg. Über das Leben der klugen Frau.
„Tiere dösen, Menschen lesen“, lautete der launige Slogan des jedes Jahr zu Weihnachten gedruckten Leporellos, mit dem die Bücherstube Stolterfoht ihren Kunden ausgewählte Neuerscheinungen vorstellte. Illustriert wurde das Ganze stets von einer feinen Zeichnung, die einen selbstzufrieden Pfeife rauchenden Kater mit spießbürgerlichem Habitus und eine lesende Frau mit klugem Gesicht kontrastierte.
Keine Frage, dass Horst Janssen, der die Karikatur und den eigenwilligen Werbespruch verfasst hatte, bei der wachen lesenden Frau an die Freundin Margarethe Stolterfoht dachte, die den Bücherpavillon am U-Bahnhof Hallerstraße mit Partnerin Lisi Drascher etwa 25 Jahre lang betrieben hat und die auch sonst, durch Herkunft und Interessen, eng mit dem Kulturleben (nicht nur) in Hamburg verwoben war. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Margarethe Stolterfoht am 2. Juli gestorben.
Margarethe Stolterfoht in Lübeck geboren
Geboren wurde sie im Jahr 1925 in Lübeck, wo die Familie Stolterfoht über Generationen einen guten Namen hatte. Als Kind habe sie bei Thomas Mann auf dem Schoß gesessen, erzählte sie. Ein Vorfahre der Stolterfohts war Pate von Thomas Mann, Margarethes Vater ein Mitschüler. Nach dem frühen Tod des Vaters 1930 zog Mutter Greta („Stoltergretchen“) mit ihren beiden Töchtern nach Hamburg und eröffnete in der Eppendorfer Wohnung einen Buchhandel, um als Alleinerziehende über die Runden zu kommen.
Aus schwierigen Anfängen entstanden eine eigene Buchhandlung an der Maria-Louisen-Straße, später der Pavillon an der Rothenbaumchaussee, den Werner Kallmorgen (u. a. Architekt des Kaispeicher-A-Fundaments der Elbphilharmonie) als Freundschaftsdienst für Greta entwarf.
Kleine Hamburger Buchhandlung bietet Vielfalt
Margarethe Stolterfoht arbeitete jahrelang als Keramikerin mit eigener Werkstatt. Ausgebildet worden war sie von Monika Maetzel, Tochter des Künstlerpaars Dorothea und Emil Maetzel (Mitbegründer der Hamburger Sezession). 1971 starb die Mutter. Eine Lithografie von Horst Janssen zeigt sie auf dem Sterbebett — er malte und zeichnete in seinem Frühwerk auch mehrfach die von ihm verehrte Tochter Margarethe. Die übernahm mit der Buchhändlerin Lisi Drascher den Pavillon, das„literarische Knusperhäuschen“, wie die beiden sagten.
Tatsächlich bietet die nur 44 Quadratmeter große Buchhandlung eine überraschende Vielfalt: Wie eine Arche bewahrt sie von jedem für erhaltenswert befundenen Buch ein Exemplar. Das garantierte immer Vielfalt in der Enge und hielt Bestseller-Stapelware fern.
Stolterfoht immernoch präsent im Bücherpavillon
1996 hat sich Margarethe Stolterfoht zurückgezogen. Bis zu seinem Tod 2001 betreute sie ihren Lebenspartner, den Architekten Gerhard Kerff, der auch bedeutender Vertreter der fotografischen Neuen Sachlichkeit in der Tradition von Albert Renger-Patzsch war.
Lesen Sie auch:
- Ein Blick auf das Hamburg von morgen
- Auf den Spuren des schweigenden Vaters
- Heute beginnt der Kultursommer in Hamburg – eine Übersicht
Als Namensgeberin und guter Geist ist Margarethe Stolterfoht noch immer präsent in dem Bücherpavillon, der vom Nachfolger Frank Bartling auf hohem Niveau weiterbetrieben wurde. 2017 und 2020 wurde die Bücherstube mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. In diesem Jahr steht eine Sanierung des Pavillons mit Unterstützung der Hermann-Reemtsma-Stiftung an.