Hamburg. Der Hamburger Erfolgsautor legt mit „Es ist immer so schön mit dir“ eine Art Liebesroman vor. Romantisch ist an diesem nichts.

Man darf das mit gutem Recht das Genie des Heinz Strunk nennen. Wie er es schafft, seine genauen, an ihrem Gegenstand eminent interessierten Milieu- und Männlichkeitsstudien auf Lesungen zu Produkten der nie pausierenden Spaßfabrik zu machen.

Es gibt den langweiligen Begriff „Tragikomödie“, der das Phänomen aber keineswegs befriedigend umschreibt. Strunks ästhetisches Programm ist ein Zwitter. Mit jedem Buch, das der Hamburger Schriftsteller, Entertainer und Musiker vorlegt, bekommt sein handwerkliches Können schärfere Konturen.

Heinz Strunk vermischt Humor und Depression

Man kann seine Texte unkompliziert auf die Live-Momente, Crowdpleaser und Lacher untersuchen. Man kann auch die Stellen freilegen, die bei der stillen Lektüre unendlich ernst erscheinen, aber bei einer Lesung durch Strunks Vortrag vollendet komisch sind. Aber der Strunksound, diese Mixtur aus Humor und Depression, ist am Ende doch auch nicht auseinanderzudividieren. Kunst ist dann wohl die korrekte Bezeichnung für den Betrachtungsgegenstand.

Und jener Betrachtungsgegenstand trägt hier und jetzt den Namen „Es ist immer so schön mit dir“. Ein neuer Strunk also, und das Erscheinen dieses neuen Strunks ist, selbstverständlich, keine kleine Sache. Seit der düsteren Honka-Ballade „Der goldene Handschuh“, die vom Frauenkiller sowie anderen beschädigten Opfern ihres Triebs und ramponierten Mannsbildern handelte, ist Strunk ein im Feuilleton angekommener Autor.

Einzigartige Version eines Liebesromans

„Es ist immer so schön mit dir“ ist seine Version des Liebes- und Beziehungsromans, die Mitschrift einer toxischen Verpartnerung, die das Seelenleid ihrer beiden Bestandteile offenlegt. Dabei ist es erneut vor allem der Mann, der von Strunk in gewohnter Weise seziert wird. Der Mann, dieses Behältnis großen, unendlichen Schmerzes; der Mann, dessen Daseinsmelancholie unerschöpflich ist.

Die Hauptfigur, sie bleibt namenlos, ist eine Strunk-typische trübe Tasse. Einer, der zum Glücklichsein kein Talent hat und vom Leben nicht erwartet, dass es schön, sondern komplikationslos verläuft. Er war mal, viele Jahre ist es her, Popmusiker. Mit der Karriere klappte es nicht, aber weil Pop eh nur etwas für junge Leute ist, von jungen Leuten gemacht, verdrießt ihn das schon lange nicht mehr. Geld verdient unser Held mit seinem Ein-Mann-Tonstudio, das er routiniert, aber leidenschaftslos betreibt. Leidenschaft ist ohnehin die Leerstelle in seinem Leben. Bis er, der 47-Jährige, auf die viel jüngere Vanessa trifft.

Beziehungsekel in „Es ist immer so schön mit dir“

Ehe es zu den Haupt-Akten des Dramas kommt, dass da „Alternder Mann lernt noch einmal neu die Liebe und das Begehren kennen“ heißt, greift sich Strunk die Chance, das unschöne Ende der alten Liaison mit all seinen Frustrationsarealen zu zeigen.

Julia, die bald Abgelegte, ist die Lebensabschnittsgefährtin, die nur noch Verdruss hervorruft. Sie riecht, findet der unzufriedene Held, und was für ein Scheusal ist er dabei!, „wie Kartoffelbrei“. Ihr Gang ist „tantchenhaft“, sie ist ihm peinlich, „stapft wie eine Bäuerin in Pantinen“.

Der Roman hebt an mit einem gehörigen Maß an Beziehungsekel und einem wahrscheinlich noch nie in seinem Werk so bündig formulierten Existenzialismus. Er verdeutlicht einmal mehr, warum Strunk, aller Zoten und Bizarrerien zum Trotz, längst als einer der großen Elegiker in der deutschsprachigen Literatur etabliert ist.

Altes Beziehungsleben herzlos abgewickelt

Heinz Strunk:  „Es ist immer so schön mit dir“, Rowohlt, 288 S., 22 Euro.
Heinz Strunk: „Es ist immer so schön mit dir“, Rowohlt, 288 S., 22 Euro. © Unbekannt | Rowohlt Buchverlag

„Gestern so, heute so und morgen noch mal ganz anders. Als Kind ist man verrückt aufs Leben, wünscht sich, die Zeit möge stillstehen, geht aus Angst, etwas zu verpassen, noch nicht mal zur Toilette. Das Leben bestand ausschließlich aus Anfängen, und nichts hatte ein Ende. Jetzt ist es ihm ganz recht, dass die Zeit rasch vergeht.“ Oder, auch nicht schlecht: „Wenn doch nur alles etwas einfacher wäre. Er etwas einfacher wäre. Dann würden sie zusammen in diesem Zimmer wohnen, bis sie sich in Staub auflösen und zu Boden rieseln.“

Das ist die volle Depri-Dröhnung, aber nicht der eigentliche Anlass, „Es ist immer so schön mit dir“ Strunks unerbittlichsten Roman zu nennen. Es ist, nach der herzlosen Abwicklung des alten Beziehungslebens (später wird es ein Hass-Tribunal, eine sadistische Abrechnung Julias geben), eine peinvoll genaue Betrachtung von Paarung und Ent-Paarung.

„Müdigkeit ist das schönste aller Geschenke"

Vanessa ist die Tochter eines ehemaligen Mitstreiters unseres Helden: von damals, als er kurz berühmt war. Das ist von Strunk klug konstruiert. Denn was die als wunderschön beschriebene Frau, die freilich sowohl auf der Leinwand als auch auf der Bühne eine Schauspielerin der Kategorie C ist, mit dem antriebslosen Lappen anfangen soll, fragt man sich schon. Also, Vanessa kannte den Helden schon als Kind, das muss als späterer Liebesantrieb reichen.

Sie muss ja zunächst eine Art Wachküsseffekt bewerkstelligen. Und den schlappen Mann, der recht gut zu den im Buch ansatzlos auf Leserinnen und Leser abgefeuerten Weisheiten (aus der Abteilung „Das Strunk-Prinzip“: „Betrunken sein heißt, nicht an Fragen zu verzweifeln, auf die es keine Antwort gibt“, „Müdigkeit ist das schönste aller Geschenke, die das Leben bereithält“) passt, erotisch wiederbeleben. Aber vor den Erfolg haben die Götter die Demütigung gestellt. Die ersten Dates laufen suboptimal (herrlich: „Er kommt sich vor wie ein Straßenschild, auf das die Vögel scheißen.“).

Form von Liebe und Erlösung: Sex

Sie gibt die Unberechenbare, bei der man nie weiß, woran man ist. Zum Rollenprofil des perfekten Strunk-Protagonisten gehört die Deklassierung, und so rennt der längst rettungslos Verknallte, der sich einredete, mit seinem Ungevögeltsein keinerlei Probleme („Meine Güte, das kleine bisschen keinen Sex, das Leben ist doch schwer genug“) zu haben, zunächst dem großen Glück meilenweit hinterher. Aber dann gibt’s die Belohnung: Sex, eine Form von Liebe, vorübergehende Erlösung.

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Und dann ändert Strunk, der Männer-Sezierer, einfach sein Programm. Die Beziehung muss so katastrophisch werden, dass sie zur Strunk-Ästhetik des Hässlichen passt. Das tut sie spätestens dann, als der Roman die Ursache von Vanessas Anorexie – der Held nennt sie für sich zynisch eine „Leichtköstlerin“ – offenlegt: Die Arme wurde einst, als Konfirmandin, von Diakon Lars, dem Mann-Schwein, sexuell missbraucht.

Es ist der bittere Kern ihrer Beziehung, dass der Held auch nach Vanessas Trauma-Erzählung als der triebhafte Mann, der er ist, das ungesunde Schlanksein seiner Gefährtin einfach nur geil findet.

Man kann nicht aufhören zu lesen

Er säuft zu viel, sie raucht zu viel und isst zu wenig. Es gibt retardierende Momente des Liebeselends, in dem dieser Roman sich suhlt; man kann nicht aufhören zu lesen. Weil Strunk Verderben so gut kann wie wenig andere. Ein Trip nach Heiligendamm, beinah kitschig. Verlobung. Kleine Glücksmomente. Sein Verfallensein, ihr Verlorensein. Es geht auseinander und wieder zusammen, und am Ende bleibt offen, wer am Scheitern denn nun mehr Schuld hat.

Vielleicht ja doch der Held mit seinem ständigen Sich-gehen-Lassen in der Schwarzgalligkeit? Er betrügt Vanessa mit der Ex. Klar, denn der Erzähler Strunk hat ja seine Typen immer schon so gezeichnet, dass sie zu seinem Urteil passen: „Der Mensch ist Opfer seiner
Sexualität, er windet sich unaufhörlich unter dem Höllenfeuer, dass ihm die Lenden leckt.“

Heinz Strunk erschafft Werk mit Wucht

Die Leiden des Midlifecrisisten, seine Verzweiflung: Strunk ringt ihm Szenen ab, die pures Lesungsgold sein werden. Er wiederholt seine Themen, so wie andere dies auch tun: So entsteht ein wiedererkennbares Werk, eines mit Wucht. Dass er Topoi seines Werks wie die einst allgegenwärtige Onanie – die „Schnellentsaftung“ – diesmal nur anzitiert, ist für die Lesetournee nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen. Aber dieser faszinierende Blick auf das, was Menschsein bedeutet in seiner totalen Auf-das-Wesentliche-reduziert-Perspektive, bleibt ohnehin erhalten. Die Strunkprosa kennt kein Konzept des Schönen.

Nach einem One-Night-Stand wacht der Held, der zum Alleinsein verdammt zu sein scheint, ohne Begleitung auf; als „er eine halbe Stunde später zur Toilette geht, hängt der Miefkern ihres Morgenurins immer noch in der Luft“.

Heinz Strunk liest und musiziert am 13.9., 20 Uhr, in der Elbphilharmonie. Der Kartenvorverkauf des Harbour Front Literaturfestivals beginnt am 3. August; harbourfront-hamburg.com