Hamburg. Der britische Superstar wurde in der ausverkauften Barclays Arena für seine Hits, seine Stimme und seine Haltung zur Ukraine gefeiert.

  • Rod Stewart kündigte sein Konzert in der Barclays Arena als „One last time“ an. Mit 79 Jahren plant er, sich von den großen Bühnen zu verabschieden.
  • Trotz seines fortgeschrittenen Alters zeigte der britische Sänger in Hamburg eine beeindruckende Performance.
  • In Hamburg widmete er erneut ein Lied den ukrainischen Soldaten, was vom Publikum mit langanhaltendem Applaus und großer Zustimmung aufgenommen wurde.

Irgendwie klingt Elton Johns Abschied von Hamburg vor einem Jahr in der Barclays Arena noch nach: Die Zeit der großen britischen Pop-Entertainer, der einzigartigen Stimmen geht zu Ende. Denn auch Rod Stewart, mit 79 zwei Jahre älter als Sir Elton, kündigte vor seinem Konzert am Donnerstag in der Barclays Arena an: „One last time.“ Ein letztes Mal.

Dabei erkannte man bei seinem Gastspiel 2019 noch keine Hinweise auf einen nötigen Rückzug in den Keller zur gigantischen Modelleisenbahn. Und das ist auch 2024 nicht anders. Nach einem Intro mit „Scotland The Brave“, bei dem man den Einmarsch von 11.000 schottischen Fußballfans befürchtet, die die Plätze im ausverkauften, komplett bestuhlten Saal übernehmen und das Bier austrinken, geht es am Donnerstagabend (20. Juni) los mit einem fallenden Vorhang und „Addicted To Love“.

Rod Stewart erntet Jubel in Hamburg – nach Buhrufen und Pfiffen in Leipzig

Da ist er wieder, der Mann mit der grau-blonden „flotten“ Frisur, mit der Sandpapier-Stimme (180er-Körnung) und mit der Leidenschaft für ausgefallene Klamotten, die selbst Barbara Schöneberger nur mit spitzen Fingern vorsichtig aus dem Schrank ziehen würde: brisanter Stoff, Netzhaut-Explosionsgefahr. Glänzendes Zebra-Sakko, Leoprint-Schal und -Hemd, Slimfit-Stoffhose, Sneaker.

Rod Stewart wird in Hamburgs Barclays Arena bejubelt. In Leipzig kamen auch Buhrufe aus dem Publikum.
Rod Stewart wird in Hamburgs Barclays Arena bejubelt. In Leipzig kamen auch Buhrufe aus dem Publikum. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Hinter ihm stehen fünf ebenso blonde Damen in kurzen Kostümen, die so tun, als würden sie Keyboard, Bass und Gitarre spielen. Es wäre ein noch besserer Effekt gewesen, wenn das tatsächlich seine Band wäre, aber die erscheint beim nächsten Song „You Wear It Well“, die Musikerinnen werden zu Tänzerinnen, eine Geigerin gesellt sich dazu. Beim Faces-Oldie „Ooh La La“ ist es voll auf der Showtreppe und auf den großen Videowänden. Den Fans gefällt es, der Innenraum steht, großer Jubel – „Having A Party“.

Live geht Rod Stewart in Hamburg immer den Joe-Cocker-Weg

Er wolle nicht mehr mit 80 noch „Hot Legs“ singen, erklärte er der BBC im Vorfeld der Tour (er singt es schon mit 79 nur noch selten), sondern den Rock’n’Roll hinter sich lassen und sich Jazz und Swing widmen. Weg von der großen Bühne, hin zu seinen musikalischen Steckenpferden. Wobei die vielfältig sind. Das Great American Songbook hat er in den vergangenen 20 Jahren rauf und runter gesungen.

Blues und Rock mit der Jeff Beck Group und den Faces machten Rod Stewart in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren zu einem der populärsten Gesichter der Musikwelt, und seit seinem dritten Soloalbum „Every Picture Tells A Story“ 1971 ist der gebürtige Londoner mit schottischem Herz („Deutschland ist ein toller EM-Gastgeber“) in der Heimat auf dem Charts-Treppchen gebucht. Auch Spätwerke unter den 250 Millionen verkauften Tonträgern wie „Time“ (2013) und „Blood Red Roses“ (2018) kletterten an die Spitze.

Live geht Rod Stewart in Hamburg wie immer, 1991 im Volkspark zum Beispiel, den Joe-Cocker-Weg und veredelt neben seinen Hits „Tonight’s The Night (Gonna Be Alright)“, „Forever Young“ und „Maggie May“ hauptsächlich Coverversionen mit „It’s A Heartache“ von Bonnie Tyler, „The First Cut Is The Deepest“ von Cat Stevens oder „Downtown Train“ von Tom Waits. „Es gab so tolle Musik damals von den Beatles, Stones, Yardbirds … sogar von Elton John“, scherzt Stewart und präsentiert „Rollin‘ And Tumblin‘“ von Muddy Waters.

Rod Stewart in Hamburg: Eine Revue-Show wie im Abendprogramm der „Queen Mary 2“

Wenn eine seiner zahlreichen Umziehpausen ansteht, übernehmen die Backgroundgirls mit Instrumentaleinlagen, trommeln für Celtic Glasgow oder singen Chaka Khan und Donna Summer: „I’m Every Woman“ ist „Hot Stuff“. Es ist immer was los, keine Minute Stillstand, und auch wenn man sich bei Rods Discokugelschuhen „I‘d Rather Go Blind“, denkt, so haben sein extrovertierter Stil, seine immer noch unglaublich dynamische Stimme und seine beachtliche Agilität doch extrem hohen Unterhaltungswert. Es ist eine Revue-Show wie im idealisierten Abendprogramm auf der „Queen Mary 2“, die Stimmung pegelt auf Happy Hour, die Band ist vom Feinsten, fehlt nur noch, dass Hot Rod Kapitänsmütze trägt.

Der britische Superstar kleidet sich gerne extravagant – so natürlich auch am Donnerstag in Hamburg.
Der britische Superstar kleidet sich gerne extravagant – so natürlich auch am Donnerstag in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Aber dann ist da noch die Sache mit der Ukraine. Der Privatmensch Rod Stewart und seine Familie engagieren sich seit zwei Jahren für die ukrainische Bevölkerung und Geflüchtete, zwei Mitglieder seiner Tourcrew kommen aus dem kriegsgeplagten Land. Aber als Rod Stewart vor einer Woche in Leipzig im blauen Sakko über gelbem Hemd bei „Rhythm Of My Heart“ vor der ukrainischen Flagge salutierte und Wolodymyr Selenskyj auf den Leinwänden zeigen ließ, erntete er Buhrufe und Pfiffe.

Stewart bei Konzert in Hamburg: Nach 100 Minuten lässt seine Stimme hörbar nach

Dass Leipzig nach Moskau und Minsk der vielleicht schlechteste Ort für so eine Geste ist, ahnte er wohl nicht. In Hamburg widmet er das Lied ebenfalls den gezeigten ukrainischen Soldaten: „Putin darf nicht gewinnen“, sagt er. Hamburg applaudiert geradezu demonstrativ lange und laut. Man hat hier genau mitbekommen, was in Leipzig los war.

Das ist schon ein kurzer Schritt heraus aus dem Glitzer und Flitter. Aber wie es im Popgeschäft nun mal so ist: No Scotland, no party. Die Show muss weitergehen. Das geht sie mit „Have I Told You Lately“, „Baby Jane” und „It Takes Two”. Ein Stück buntes Las Vegas, wo Rod Stewart, jetzt in seinem besten, weil schwarzen Anzug, mehrere Tage den Caesars Palace unterhielt. Wie sagte er noch via Instagram, nachdem seine oben genannten BBC-Statements für Irritationen sorgten: „Ich werde niemals in Rente gehen! Ich wurde auf die Erde geschickt, um ein Sänger zu sein, und das werde ich weiterhin tun, solange der Herrgott mich lässt.“ Nach 100 Minuten lässt seine Stimme hörbar nach, weil er davor wirklich alles, alles gab.

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Man kann also am Ende der zwei Stunden langen Show überlegen, ob das jetzt sein letzter Hamburger Auftritt ist. Oder einfach nur die Riesenhits genießen, die sich Rod Stewart für das Finale aufgehoben hat: „Da Ya Think I’m Sexy?“ und „Sailing“. Fußbälle werden in den Saal gekickt. Auf der Leinwand erscheinen allerlei nicht segelnde Seefahrzeuge von U-Booten über Flugzeugträger bis zur „Queen Mary 2“. Und „Rod The Mod“ trägt tatsächlich eine Kapitänsmütze. Ein so emotionaler wie lustiger Abschied (auf Raten hoffentlich) am Ende einer großartigen Show. Bon voyage, Rod Stewart. Und immer eine Schaufel Sand unter dem Kiel und in der Kehle!