Hamburg. Beim Hamburger Theater Festival ist das Shakespeare-Personal radikal eingekürzt. Das Gastspiel aus Bochum ist die reinste Freude.
Der plätschernde Wasserhahn im Hintergrund ist immer wieder gefragt, wenn es ans Reinigen der mit Blut besudelten Körper und Kleider geht. Und das kommt häufig vor. Denn Shakespeares „Macbeth“ erzählt von der Tyrannenwerdung eines Machthungrigen, der über viele Leichen geht. In der Regie von Johan Simons sieht das häufig auch erstaunlich komisch, geradezu bewusst lächerlich aus. Der Theater-Hit vom Schauspielhaus Bochum ist nun als Gastspiel im Thalia Theater beim Hamburger Theater Festival zu sehen.
Das Personal ist radikal eingekürzt auf ein grandioses Schauspiel-Trio, das miteinander und gegeneinander das ganze Drama entfesselt: Jens Harzer, Marina Galic und Stefan Hunstein. Mit wenigen Gesten und variierenden Stimmlagen nehmen sie Rollenwechsel vor, bleiben dabei aber die ganze Zeit auch als Spieler ironisch distanziert erkennbar. Nach kurzer Aufwärmzeit ist das Spiel auf Betriebstemperatur. Dann aber ist es die reinste Freude, diesen Spielwütigen bei ihren Machtkämpfen zuzuschauen.
Macbeth am Thalia: Schauspieler brechen unter Riesenschwert beinahe zusammen
In schwarzen Anzügen (Kostüm: Greta Goiris) stolpert das Trio wie Artisten, manchmal auch wie traurige Clowns über die im Vordergrund mit einem flachen, gekachelten, wasserlosen Becken versehene Szenerie (Bühne: Nadja Sofie Eller). Harzer gibt den Königsmörder Macbeth erst als ungläubig Verwirrten, Getriebenen. Von seiner ehrgeizigen Lady Macbeth lässt er sich zum Morden anstiften, bis er sagt: „Jetzt kenn ich mich und will mich nicht mehr kennen.“
Die Macht bleibt gefährdet, solange noch irgendwo ein Thronanwärter herumläuft. Mit wachsender Paranoia blickt er auf die Prophezeiungen der Hexe. Bis wieder ein Krieg über den Machterhalt entscheiden muss und die Spielenden unter dem Gewicht eines Riesenschwertes am Ende beinahe zusammenbrechen.
Jede Bewegung wird in eine Wolke gehüllt
Harzer ist Macbeth, aber auch der von ihm zuerst ermordete König Duncan von Schottland und muss sich in einer sehenswerten Szene – zwischen beiden wechselnd – sozusagen selbst erdolchen.
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Marina Galic glänzt als verführerische Lady Macbeth im Herrenhemd auf hochhackigen Schuhen, bald streift sie sich einen Anzug über und verwandelt sich mithilfe eines Schnurrbarts und einer tief grollenden Stimme in den königlichen Heerführer Banquo, später auch in Macbeths unerbittlichen Gegner Macduff und in Lady Macduff.
Stefan Hunstein gibt mit verwegener Langhaar-Perücke die Hexe – bei Shakespeare sind es drei – und rührt einen bemerkenswerten Zaubertrank zusammen. Oder er wirft „Je t’aime“ von Serge Gainsbourg auf dem Plattenspieler an. Alle drei pudern sich ständig mit einem hellen Staub ein, der jede Bewegung in eine Wolke hüllt. Auch damit wirken sie eher wie absurde Figuren von Samuel Beckett als Protagonisten des berühmtesten Shakespeare-Dramas.
Macbeth-Ensemble läuft in Hamburg zu Höchstform auf
Gebrochen wird die Komik jedoch durch den wohltuend fokussierten Text in der Übersetzung von Angela Schanelec und Jürgen Gosch. Es ist eine Sternstunde des Theaters, gleichzeitig dem Darsteller-Trio dabei zuzusehen, wie es einander wie Ertrinkende umklammert, dann wieder wegstößt und in einer Lust an Spiel, Sprache und Behauptung zu Hochform aufläuft.
Florian Schaumbergs stille, im Hintergrund ablaufende Videos von gespaltenen Bäumen, wuchernden Pflanzen und gefräßigen Krabbelkäfern bilden dazu einen radikalen Kontrast. Mit ihrer Hilfe erzählt Johan Simons aber umso schärfer von der Begrenztheit und Lächerlichkeit der menschlichen Existenz im Kreislauf der Welt. Und da hilft auch eine Krone nicht.
Das läuft noch bis zum 24.6. an diversen Theatern, Programm und Karten unter www.hamburgertheaterfestival.de