Hamburg. Eiswürfeln und Glückskekse: Wie geht junges Museum? Lübecks Kunsthalle macht es vor. Bade- und Eis-Tipps gibt‘s von uns obendrauf.
Ein Juchzen und Lachen empfängt einen am Eingang der Kunsthalle St. Annen. Ein paar Kinder turnen und toben auf verschieden großen Schaumstoffelementen herum. Und man denkt spontan: toll, gleich so eine Art Bällebad für die Kleinen, und die Eltern können in Ruhe in die übrige Kunst eintauchen. Doch weit gefehlt: „The Beach“ von Andreas Angelidakis ist „die Kunst“, und der Künstler lädt das Publikum sogar bewusst dazu ein, auf den weichen, formbaren Blöcken herumzutollen (egal, in welchem Alter übrigens).
Ausflug nach Lübeck: Kunst in diesen Hallen macht Spaß
Mit diesem Werk im Rahmen der Ausstellung „Hello Lübeck“ nimmt Angelidakis direkten Bezug auf die besondere Lage der Hansestadt an der Ostsee, die ihn an eine Festung erinnert, deren Strände durch Steinblöcke ersetzt wurden. Der „Strand“, der eigens für das Lübecker Museum produziert wurde, wird dauerhaft im Foyer bleiben – und das Publikum gleich darauf einstimmen, dass die Kunst in diesen Hallen Spaß macht, dass sie angefasst und sogar mitgestaltet werden darf.
Gleich nebenan zum Beispiel zeigt der Konzeptkünstler Christian Jankowski eine quietschgelbe Skulptur, die wie von Kinderhänden geformt wirkt. Und tatsächlich dienten die Entwürfe von Lübecker Schülerinnen und Schülern als Vorlage. Beim Projekt „Geknetete Stadt“ sollten sie ihre Gefühle und Gedanken, Wünsche und Sorgen einfach mit Knetmasse ausdrücken; der Künstler goss diese dann in vergrößerte Metallskulpturen.
Wie geht junges Museum? Die Kunsthalle St. Annen in Lübeck macht es vor
„Hello Lübeck“ heißt die erste Ausstellung unter der Führung der neuen Direktorin Noura Dirani. Sie ist in zwei Teile gegliedert; Start war im Dezember 2023, nun hat die Fortsetzung begonnen, mit einigen bestehenden und vielen neuen Arbeiten. Auch die Kunstschaumparty von Stephanie Lüning rund um das Holstentor Mitte April gehörte dazu. Direktorin Noura Dirani: „Die Schau ‚Hello Lübeck‘ ist als Einladung zu verstehen – es soll darum gehen, das Museum als Institution zu öffnen und Hemmschwellen zur Kunst abzubauen. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler verwandeln die Räume der Kunsthalle in begehbare Welten, die sich alle rund um das Thema Dialog drehen.“
Selbst ordentlich in die Taste zu hauen, egal, wie es klingt: Bei der interaktiven Installation „Enlightenment Machine“ von Betty Rieckmann werden große Leuchtstäbe, die am Boden wie zu einem Strauß befestigt sind, durch das Spielen auf einem E-Piano gesteuert. Im Takt der Klänge wechseln sie ihre Farben. Und je kräftiger man spielt, desto heftiger wird auch das Lichtspektakel. Eine einfache Fingerübung oder ein Flohwalzer können so eine großartige Wirkung haben. Großer Spaß für Pianisten wie Zuhörer, beziehungsweise Zuschauer.
Neue Sichtweisen ausprobieren: Trampolin springen und dabei Kunst angucken
Aktiv als Akteur einbezogen wird das Publikum auch im Rahmen von Ahmet Öğüts Installation „Jump-up!“. Dabei werden die an den Wänden hängenden Bilder betrachtet, während man auf Trampolinen hüpft. Die Künstlerin will damit eingeübte Sehgewohnheiten aufbrechen und neue Zugangsmöglichkeiten im und zum Museum schaffen. Mit den Werken der hauseigenen Sammlung zu arbeiten ist Direktorin Dirani wichtig. Die Kunsthalle, die 2003 auf den Grundmauern der ehemaligen Klosterkirche St. Annen errichtet wurde, verfügt über ein breites Spektrum an Gemälden, Plastiken, Zeichnungen und Grafiken von 1945 bis zur Gegenwart.
Nach so viel Bewegung tut eine Ruhepause gut. Bei der immersiven Arbeit „fuse“ der Künstlerin Tatjana Busch im Untergeschoss des Hauses kann man in ein Zusammenspiel aus meditativem Sound, Bewegung, Farbe und Form abtauchen. Die im Raum schwebenden Objekte aus Aluminium wirken dabei wie Asteroiden, die sich in Zeitlupe fortbewegen.
Kinder-Kunsthalle: Hier dürfen Wände und Böden tatsächlich bekritzelt werden
Im Rahmen von „Hello Lübeck“ hat auch ganz neu die Kinder-Kunsthalle eröffnet: Hierfür haben Künstlerinnen und Künstler wie etwa Benjamin Butter mit „It is what it is“ die oberen Räume zu begehbaren Werken gemacht, in denen nach Herzenslust an Wände, Böden und Decken gekritzelt werden darf. Die Arbeiten sind prozesshaft angelegt, das heißt, dass sie sich im Laufe der jeweiligen Ausstellung stetig verändern. Stephanie Lüning hat ebenfalls ein besonderes Projekt beigesteuert: „Collectivity Paintings“. Dabei werden Eiswürfel mit aus Pflanzen gewonnenen Farben getränkt und in einem Kühlschrank gelagert. Auf einer großformatigen Leinwand, die am Boden liegt, können Besucherinnen und Besucher diese Würfel kreativ anordnen, sodass fantasievolle Muster wie auf einem Seerosenteich entstehen.
Zwischen den Kreativräumen hat das Künstlerduo Famed seine Installation aus Hunderten von Glückskeksen in einem Treppenaufgang eingerichtet. Die Kekse, die wie industriell gefertigte Produkte wirken, sind extra dafür produziert worden und tragen alle dieselbe Botschaft im Inneren: „The way to success is open“ („Der Weg zum Erfolg ist offen“) – so lautet auch der Titel des Kunstwerks. Naschen ist übrigens erlaubt (ein Keks pro Person).
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Wer danach Lust auf mehr Süß bekommen hat, findet rund 300 Meter weiter an der Mühlenstraße 29 eine der besten Eisdielen der Stadt. Eine Spezialität des Eiscafés Rialto ist übrigens das Spaghetti-Eis in vielen verschiedenen Sorten, vom Klassiker Vanille über Schokolade bis Pistazie. Ein Muss für alle Lübeck-Reisenden ist natürlich auch das supergemütliche Niederegger-Café inklusive Marzipan-Museum und -Shop an der Breiten Straße 89, der Fußgängerzone (vom Museum aus rund zehn Minuten zu Fuß). Die Marzipan-Nuss-Torte ist nur eine der vielen Köstlichkeiten ...
Bei schönem Wetter kann man in der nahegelegenen Wakenitz im Naturbad Falkenwiese schwimmen und sonnenbaden. Die für Familien geeignete Anlage ist schon wegen ihrer gut erhaltenen Gründerzeitarchitektur sehenswert. Zu Fuß von der St.-Annen-Straße über den Hüxterdamm geht man die gut einen Kilometer weite Strecke in einer Viertelstunde. Toll ist auch eine Bootstour auf der Trave, bei der man viele schöne Ecken der Stadt erkunden kann. Bei Boat Now können emissionsfreie E-Boote stundenweise für bis zu sechs Personen gemietet werden (ab 18 Jahren, kein Führerschein notwendig, Preis für eine Stunde 49 Euro). Oder man macht einfach einen schönen Spaziergang zurück zum Bahnhof, vorbei am Holstentor. Von der Kunsthalle St. Annen ist man in etwa 30 Minuten dort.
„Hello Lübeck. Dialoge mit der Kunsthalle St. Annen“bis 28.7., Kunsthalle St. Annen, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck, Di–So 10.00–17.00, Eintritt 12,- (Tageskarte, gilt auch für alle im Verbund der Lübecker Museen zusammengeschlossenen Museen);www.kunsthalle-st-annen.de