Hamburg. Die Pianistin ist und bleibt eine Ausnahmeerscheinung. Nur wenige entfachen solch einen Zauber wie die Französin bei ihrem Auftritt in Hamburg.
Wenn es darum geht, das Verträumte in der Musik zu erfassen und buchstäblich mit Händen zu greifen – dann ist und bleibt Hélène Grimaud eine Ausnahmeerscheinung. Das hat die Pianistin auch bei ihrem jüngsten Auftritt in der Elbphilharmonie demonstriert. An einem Abend mit der Camerata Salzburg, an dem sie das einzige Klavierkonzert von Schumann und das Vierte von Beethoven spielte.
Letzteres beginnt mit einer Einleitung des Soloinstruments, einer Folge von Akkorden. Und wie sie sich da mit weichem Anschlag in die Musik hineintastete, um den Fluss gegen Ende ein bisschen zu stauen: Das war eine erste Kostprobe ihres seismografischen Gespürs für Nuancen. Im Klang, in der Dynamik und, nicht zuletzt, im Tempo.
Elbphilharmonie-Konzert: Hélène Grimaud – überirdisch, schwebend, entrückt
Die Kunst des Verzögerns, das Rubato, beherrscht Grimaud natürlich nicht als Einzige. Aber nur wenige entfachen damit so einen Zauber wie sie. Im langsamen Satz des Beethoven-Konzerts inszeniert der Komponist zunächst eine finstere Atmosphäre. Mit dunklen Unisono-Figuren, von der Camerata Salzburg so schroff und düster modelliert, als kämen sie aus dem Totenreich. Und dann, als eine Art himmlischer Kontrast, der Einsatz des Klaviers. Überirdisch, schwebend, entrückt. Hélène Grimaud findet einen hellen Klang, ganz ätherisch, wie aus einer anderen Welt. Wieder gönnt sie sich Millisekunden des Innehaltens, setzt die Töne etwas später – und scheint so kurz die Zeit zu dehnen. Traumhaft!
Das Schumann-Klavierkonzert belebt die Pianistin mit einem beinahe gegensätzlichen Tempogefühl. Auch da kostet sie die zarten Momente aus, etwa wenn sie das Hauptthema auf den Tasten singt, im Dialog mit den Holzbläsern. Aber das sind nur kurze Phasen der Ruhe, in einem Stück, das gern vorandrängt und manchmal -stürmt, angetrieben von jener Nervosität, die Schumanns Musik oft durchpulst.
Das begeisterte Publikum erklatscht sich beim Hamburg-Konzert eine zweite Zugabe
Die Camerata Salzburg hält immer Schritt mit Grimaud, als gleichberechtigter Partner. Konzertmeister Giovanni Guzzo führt das Orchester klar und mitreißend, mit einer aktiven Körpersprache. Nur vereinzelt wirkt der Verzicht auf einen Dirigenten, beziehungsweise eine Dirigentin, wie ein Nachteil. So zu Beginn des Programms, in Beethovens Coriolan-Ouvertüre, wo ein wuchtiger Akzent der Pauke einen Tick zu früh reinwummst. Oder im Schumann-Konzert, als der jazzige Synkopenrhythmus im ersten Satz nicht ganz stabil groovt.
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Aber das ändert nichts am starken Gesamteindruck und dem verdienten Jubel. Am Ende erklatscht sich das Publikum sogar noch eine zweite Zugabe von der wunderbaren Hélène Grimaud, nachdem das Licht im Saal schon angegangen ist.