Hamburg. Nach medizinischem Notfall liefert der Schockrock-Pionier für 3800 Fans solide ab. Allemal besser als die Hollywood Vampires.

Trommelwirbel donnern am Mittwoch über die Stadtparkbühne, Gitarren sägen, und vor einer Holzbalustrade hängt ein großes Zeitungsmotiv: „Alice Cooper in Deutschland verboten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ Mit einem harten Säbelschnitt fetzt sich Alice Cooper durch das Plakat, rückt sich zu den Klängen von „Lock Me Up“ den Zylinder zurecht und droht mit der scharfen Klinge 3800 Fans im fast ausverkauften grünen Rund. Horror bei hellem Tageslicht und Zimmerlautstärke.

Der erste Schreckmoment ist da für das Publikum bereits überstanden: „Ein medizinischer Notfall bei einem Bandmitglied“ backstage sorgt für einen um eine halbe Stunde verzögerten Showbeginn. Wer weiß was konkret passiert ist, Alice Cooper ist mit 76 Jahren jedenfalls nicht mehr der Jüngste – aber in Hamburg immer noch sehr agil.

Alice Cooper eröffnet Konzert in Hamburg mit Verzögerung

Na dann. „Welcome To The Show“: Es ist nicht das erste Mal, dass der US-Schockrock-Pionier aus Detroit in Winterhude auftritt. Bereits 2018 und 2023 kam er als Teil der Hollywood Vampires mit Joe Perry von Aerosmith und Johnny Depp vorbei, um Coversongs gestorbener Rockkollegen und eigene Lieder zu spielen. Aber das war ohne das ganze Gruselkabinett, das Cooper über die Jahrzehnte bei seinen eigenen Shows in die Sporthalle oder Barclays Arena mitschleppte.

Wobei nur der Blick in den Himmel über den Stadtpark grauenerregend ist, und das auch nur bei einem kurzen Schauer. Die Showeffekte hingegen, die in den 70er-Jahren noch für Schlagzeilen gesorgt haben, sind mittlerweile amüsante Folklore.

Alice Cooper und Gitarristin Nita Strauss beim Konzert in Hamburg.
Alice Cooper und Gitarristin Nita Strauss beim Konzert in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Sehens- und hörenswerter ist da schon Coopers bewährte Band mit den drei oft direkt am Publikum zaubernden Saitenmagiern und -Hexen Ryan Roxie, Tommy Henriksen und Nita Strauss sowie Bassist Chuck Garric und Schlagzeuger Glen Sobel. Auf dem aktuellen, sehr gelungenen Album „Road“ (2023) durfte sich diese Truppe selbst ein Denkmal setzen, und es ist schon schade, dass von dieser Platte auf der Tour nur „Welcome To The Show“ gespielt wird.

Alice Cooper wirbelt Puppe über den Ziegelboden

Aber in 55 Jahren sammeln sich eben zu viele Klassiker an, an denen in Hamburg nicht gespart wird: „No More Mr. Nice Guy“, „I’m Eighteen“, „Billion Dollar Babies“, „Hey Stoopid“, „Welcome To My Nightmare“, „Poison“ und „Feed My Frankenstein“ sind natürlich dabei, und auch der eine oder andere Bühnenspaß wird nicht vergessen: Bei „Cold Ethyl“ wirbelt Cooper eine Puppe über den Ziegelboden und wagt einen Tango mit ihr, und bei „Go To Hell“ erwacht die Puppe mit Peitsche zum Leben, gespielt von Coopers Frau Sheryl.

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Die Zwangsjacke, die Alice Cooper bei „Ballad Of Dwight Fry“ trägt oder die Rübe-ab-Nummer mit Fallbeil bei „I Love The Dead“ wären, auch weil es kaum dunkler wird, durchaus verzichtbar, denn die Band hat auch so sichtlich Spaß bei den Songs und Solo-Einlagen von Glen Sobel und der Gitarrenfraktion. Besser und eine Handvoll Dollar günstiger (100 Euro statt 120 Euro für die besten Plätze im „Golden Circle“) als die Hollywood Vampires, die „teuerste Coverband der Welt“, ist der Abend allemal.

Und so denkt man nach 85 Minuten bei der Zugabe „School’s Out“ an die Frage zurück, die Alice Cooper bei seinem Hamburg-Besuch 2023 im Abendblatt-Interview stellte: „Ich bin ein Entertainer. Ich liebe das Touren. Meine Frau ist immer dabei. Und ich wüsste nicht, was ich sonst tun sollte. Warum soll ich in Rente gehen?“ Ja, warum sollte er? Im Stadtpark lässt sich – auf der Bühne – kein Grund dafür erkennen.