Hamburg. „Bis hierhin lief’s noch gut“: Die Illustratorin Anna Haifisch gibt am MK&G Einblicke in ihre Arbeit – inspiriert von Tiffy und Snoopy.
Bunte und manchmal auch komische Vögel im Museum? Keine Seltenheit, stehen die Häuser doch für kreative und manchmal auch abseitige Ideen und Perspektiven. Im Museum für Kunst und Gewerbe kommen seit Neustem noch ein paar mehr Vögel und anderes Getier dazu: Sie posieren in Sakko und Hose auf dem roten Teppich bei einer Modenschau, stehen stramm bei einem offiziellen Staatsbankett, sitzen verhaltensauffällig im Konzertsaal, fahren mit der U-Bahn zur Arbeit und nippen an ihrem Kaffeepappbecher im Taxi. Kurz: Sie übernehmen die Rollen, die wir Menschen sonst ausfüllen. Nur sehen sie dabei ungleich lustiger aus.
Willkommen bei den „Funny Animals“, der Welt der international gefragten Illustratorin und Comiczeichnerin Anna Haifisch, Jahrgang 1986. Sie hat just ihre Ausstellung „Bis hierhin lief’s noch gut“ eröffnet, zusammen mit der befreundeten Ateliernachbarin Anja Kaiser.
In zwei Räumen zeigen die Frauen, wie sie arbeiten (dazu sind an den Wänden Collagen aus Zitaten und Anekdoten angebracht), die Aufträge auf den Tischen stapeln sich neben- und übereinander. Warum kommen ausgerechnet Tiere in ihren Büchern und Beiträgen für Zeitungen und Publikationen wie „The Guardian“, „Le Monde“ und „The New Yorker“ vor?
Lustige Tiere entern das Museum für Kunst und Gewerbe
„Tiere und Figuren wie Bibo und Tiffy, Snoopy, Crazy Cat und Serien wie ‚Looney Tunes‘ haben mich durch meine Kindheit begleitet und inspirieren mich bis heute“, sagt Anna Haifisch, die bis heute auch am liebsten das zeichnet, was sie im Leben beobachtet. „Und das muss nicht immer zwangsläufig hochpolitisch oder gesellschaftskritisch, sondern kann auch einfach aus sich selbst heraus Spaß machen“, ergänzt Simon Klingler.
Der Kurator hat über Comics geforscht und ist selbst beim Hamburger Comic-Festival aktiv. Anna Haifisch war seine erste Wahl für eine Ausstellung. Dass ihr die Arbeit Spaß macht, sieht und hört man beim Rundgang mit der Künstlerin deutlich.
Auffällig ist neben ihrem feinen Humor und dem differenzierten satirischen Blick auf unser zwischenmenschliches Miteinander der Farbkosmos: Es sind vor allem Gelb und Orange, die die mit feinem schwarzem Strich gezeichneten Szenen kolorieren; manchmal gesellt sich ein Blau, Grün oder Lila dazu.
Während ihres Studiums an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig habe sie vor allem der Siebdruck fasziniert, „und der zwingt einen gerade, sich auf wenige Farben zu limitieren“, so die Künstlerin. „Sonst druckt man sich tot.“ Die grellen Töne spiegeln ihre Eindrücke im heißen Kalifornien wider, wo sie einige Zeit verbrachte.
Dafür experimentiert sie umso mehr bei den Materialien: Kartenspiele und Kalender hat Anna Haifisch ebenso im Repertoire wie Textilien und Keramik: So finden sich chillende Frösche mit Melonen vorm Maul auf großen Badetüchern, elegant aus ihrem Napf schlürfende Hunde auf Boxershorts sowie auf feinen Porzellanschalen der Marke KPM. Logisch, dass ihre poppig-bunten Motive ideal fürs Merchandising sind (im Museumsshop wird man fündig).
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Auch, wie die Zeichnerin angefangen hat, wird im MK&G erzählt – und das war offensichtlich gar nicht so lustig. Geplagt von Existenzängsten nach dem Studium suchte sie einen Ort, an dem Geldsorgen keine Rolle spielen. Gefängnis oder Nervenheilanstalt kamen ihr in den Sinn: „Was ist, wenn es dort einen Pinguin-Pool, einen Hotdog-Stand, einen Kunstbedarf und helle Ateliers gibt? (…) Das wäre dann die Klinik Von Spatz, und genau diesen Ort machte ich zum Schauplatz meines ersten Comics“, steht an einer Wand geschrieben. Exklusiv auch die Gäste der Klinik: die besten Zeichner des 20. Jahrhunderts, Tomi Ungerer, Walt Disney, Saul Steinberg.
Der zweite Teil der Ausstellung zeigt, wie die Zeichnerin die USA wahrnimmt. In der Serie „Ready America“ kombiniert sie urbane Momentaufnahmen mit großformatigen Werbeflächen, in ihr prallen Popkultur, kommerzieller Überfluss und Existenzängste aufeinander: „Tierkliniken, Immobilien, Medikamente, Beerdigungsinstitute, Smog, Feuer, Erdbeben, Lebensmittel, Heimatschutz, Banken und Blockbuster – ein wunderschöner Eintopf aus Eleganz und Irrsinn“, resümiert Anna Haifisch. „Alles, was ich an der Kunsthochschule in Deutschland in Bezug auf Typografie gelernt habe, wurde auf jedem kleinen Geschäftsschild und jeder Plakatwand in Los Angeles komplett ignoriert. (…) Totale Wildnis.“ Bis hierhin lief’s noch gut eben.
„Anna Haifisch. Bis hierhin lief’s noch gut“ bis 20.10., Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hauptbahnhof), Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do 10.00–21.00, Eintritt 14,-/8,- (erm.); www.mkg-hamburg.de