Hamburg. Beim Start des Festivals spielt das Wetter nicht recht mit, aber dann gibt es eine Sensation in Raumschff-Enterprise-Gedächtnis-Outfits.
15 Grad und leichter Regen: Keine idealen Startbedingungen am frühen Freitagabend für das Elbjazz Festival. Schließlich lebt es auch von der entspannten Abhäng-Atmosphäre – möglichst im T-Shirt und jedenfalls nicht mit aufgespanntem Regenschirm oder hastig für 4 Euro am Getränkestand erworbenen Plastik-Regenponcho. Und als wäre das nicht genug, ist die Musik zunächst einmal nicht gerade euphorisierend.
Elbjazz Festival: Erst gepflegte Langeweile, dann totale Euphorie
Klar, die NDR Bigband ist erstklassig und immer eine sichere Bank, aber man kann sie eben häufig in Hamburg sehen, auch beim Elbjazz ist sie Stammgast und deshalb kein Act, dem besonders entgegengefiebert wird. Danach spielt bei Blohm+Voss, auf der Bühne am Helgen, Warhaus, die Band des Belgiers Maarten Devoldere. Ordentlicher Indiepop, mehr nicht, und wie viele Acts in diesem Elbjazz-Jahr gewiss kein Jazz. Den gibt es dann in der rappelvollen Schiffbauhalle von Saxofonist Scott Hamilton und seiner Band. Der Mann ist inzwischen 69 Jahre alt, ein absoluter Routinier und Garant für einen schön gediegenen Mainstream-Sound, der direkt in die 50er-Jahre katapultiert. Geht gut runter, reiht Klassiker an Klassiker, hat aber insgesamt eher überschaubares Erregungspotenzial.
Doch dann kommt Rapperin Akua Naru und der erste Elbjazz-Tag nimmt Fahrt auf. Sie erlebe gerade die größte denkbare Liebe, habe einen ganz neuen Blick auf das Leben, erzählt (ja fast: predigt) sie – seit sie Mutter geworden ist. Und entsprechend kommt ihr Auftritt spürbar von Herzen, hat jede Menge Soul. Ähnlich die Stimmung bei Judith Hill, einst eine der vielen Prince-Musen, die nicht nur mit ihrer Stimme, sondern vor allem mit ihrem funky Gitarrenspiel punktet. Da stehen auch viele vor der überfüllten Schiffbauhalle und genießen ihren Auftritt draußen auf einer Großbildleinwand.
Der Electrofunk von L‘Impératrice sorgt für totale Partystimmung
Und dann kommt das, was das Elbjazz seit vielen Jahren auszeichnet: die ganz große Überraschung, der Auftritt mindestens des Tages, vermutlich sogar eines der besten Konzerte des Jahres: L‘Impératrice aus Frankreich. Schon optisch eine Sensation, wie die fünf Männer und eine Frau da in ihren Raumschiff-Enterprise-Gedächtnis-Outfits mit untertassengroßen Leuchtelementen auf der Bühne stehen. Im Hintergrund flirren die LEDs, glitzern die Pailletten. Aber das Pariser Electrofunk-Sextett ist nicht nur ein Hingucker, es ist auch eine fröhlich-mitreißende Rhythmusmaschine, die niemanden vor der Bühne am Helgen stillstehen lässt. Ein absoluter Partyspaß, der in eine Art Technotaumel mündet. Das hätte noch stundenlang so weitergehen können. Ganz groß!
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Sehr passend, dass danach Jungle auf der Hauptbühne den langen Tag beendet. Ebenfalls eine Tanztruppe, aber ein wenig relaxter, ideal, um nach L‘Impératrice wieder runterzukommen. Mag die Stimmung bei Elbjazz-Start auch eher verhalten gewesen sein, am Ende herrscht erschöpfte Zufriedenheit. Und regnen tut’s schon lange nicht mehr.