Hamburg. Regisseurin Mona Kraushaar hat den Shakespeare-Klassiker im Ernst Deutsch Theater klug verschlankt. Die Dynamik ist mitreißend.

Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ über Liebeswirren und -wahnsinn erzählt bekanntlich ein ziemliches Durcheinander: Begehren, das sich auf die falsche Person richtet, brüskes Abweisen, viel Herzschmerz und Unglück. Obendrein mischen auch noch die Elfen mit allerlei Kräutermagie mit. Und die Liebe einer Handwerkerschar zur Kunst wird auf eine harte Probe gestellt.

Regisseurin Mona Kraushaar setzt in ihrer klug verschlankten Version des Shakespeare-Klassikers, die jetzt am Ernst Deutsch Theater Premiere feierte, noch einen drauf. Schon weil sie die bekannte Geschichte über die wechselvollen Amouren – im Übrigen recht originalgetreu – mit einem nur fünfköpfigen Ensemble erzählt, deren Mitglieder jeweils drei bis vier Rollen verkörpern müssen, herrscht bald ein herrlich absurdes Chaos auf der Bühne.

Ernst Deutsch Theater: Dieser „Sommernachtstraum“ ist ein großes Vergnügen

Das wirkt zwar stellenweise wie ein Studienprojekt in der Theaterausbildung, bei dem vor allem die ernsteren Töne leicht verloren gehen, schafft aber eine mitreißende Dynamik, zu der vor allem das lustvoll aufspielende junge Ensemble beiträgt.

Doch der Reihe nach. Die Bühne (Katrin Kersten) ist anfangs leer, nur ein einsames Piano steht wartend in einer Ecke. Dann geht der Vorhang erst mal zu. Als er sich wieder öffnet, gibt er den Blick auf ein rotes Sofa frei. Luis Quintana schwingt als Theseus, Herzog von Athen mit antikem Helmschmuck auf dem Kopf großspurig die Rede. Zwar will er die mit einem Harnisch gekleidete Amazonenkönigin Hippolyta (Marie Scharf) ehelichen. Doch damit sie ihn bei seiner Rede nicht unterbricht, hat er sie mit Knebel und Fesseln mundtot gemacht.

Kompliziertes Beziehungsgeflecht: Anatol Käbisch, Anne Kulbatzki und Alina Danko (v. l.) in „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare im Ernst Deutsch Theater.
Kompliziertes Beziehungsgeflecht: Anatol Käbisch, Anne Kulbatzki und Alina Danko (v. l.) in „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare im Ernst Deutsch Theater. © Oliver Fantitsch | Oliver Fantitsch

Hermia (Alina Danko) wiederum soll nach dem Willen ihres Vaters eigentlich den jungen Griechen Demetrius (Luis Quintana mit Fusselperücke) heiraten, ist aber in Lysander verliebt und will mit diesem des Nachts durchbrennen. Davon berichtet sie ihrer Freundin, der wiederum unglücklich in Demetrius verliebten Helena, anrührend im Abendkleid auf Stöckelschuhen gegeben von Anatol Käbisch. So weit die komplizierte Ausgangslage. Doch in einer lauen Sommernacht im Wald kann mancherlei geschehen.

Gaze-Vorhänge werden hektisch auf die Bühne gezogen. Anne Kulbatzki, koboldhaft schwarz gekleidet mit Blondperücke (Kostüme: Nini von Selzam), hockt sich als Puck ans Klavier und schlägt ein paar Takte von Beethovens „Mondscheinsonate“ an.

„Ein Sommernachtstraum“: Titania verliebt sich in einen Esel

Auftritt des Elfenpaares Oberon (wiederum Luis Quintana) und Titania (erneut Marie Scharf), das sich heftig streitet. Bei ihrem Wortwechsel kommt auch gegenseitige Untreue ans Licht. Um sich zu rächen, beauftragt Oberon seinen Hofnarren Puck, eine Zauberblume zu beschaffen, deren Saft zu Liebesraserei führt. Bald wird sich Titania, auf dem an Seilen in die Höhe gezogenen Sofa ruhend, in einen Esel verlieben.

Im Wald verzahnen sich aber vorerst die Handlungsstränge der Elfen und der adeligen Liebespaare. Marie Scharfs Demetrius verfolgt Hermia und Lysander, will den Nebenbuhler ermorden. Er selbst wird wiederum von Helena bis zur totalen Selbsterniedrigung verfolgt. Auch dieses Drama will Elfenkönig Oberon mithilfe von Puck und der Zauberblume lösen. Doch das geht schief, denn Puck träufelt dem schlafenden Lysander den Nektar auf die Augenlider, woraufhin er sich beim Erwachen in Helena verliebt.

Ernst Deutsch Theater: Irrwitziges Tempo führt zu fröhlicher Anarchie

Es bleibt ein großer Gewinn, den Wortwitz der fein gedrechselten Shakespeare-Verse zu genießen. Die scharf und klug beobachteten Fallstricke der Gefühle, in der die Liebe auf den ersten Blick nur ein böser Scherz ist. „Dass die Kraft von dem Saft dem Geliebten Klarheit schafft. Wie das alte Sprichwort lehrt. Jeder kriegt, was ihm gehört. Beim Erwachen wird’s gewährt“, sagt Puck, der den Zauber schließlich korrigiert und dafür sorgt, dass sich das Elfenpaar versöhnt und sich sowohl Demetrius und Helena als auch Lysander und Hermia finden.

Bis es so weit ist, herrscht ein großes Durcheinander und ein hektisches Gerenne auf der Bühne. Nach der Pause löst sich die Form angesichts des irrwitzigen Tempos immer mehr in fröhlicher Anarchie auf. Da werden Figuren mit nachlässigen Perücken- und Kleiderwechseln nur noch angedeutet. Ein großer Spaß!

„Sommernachtstraum“: Alina Danko brilliert im Fatsuit

Mittendrin bereitet sich der dritte Handlungsstrang vor. Denn zur Hochzeit von Theseus und Hippolyta soll eine Schar Handwerker – Schauspieler galten im 16. Jahrhundert als „Handwerker“ – das Ovid-Drama des Liebespaares „Pyramus und Thisbe“ aufführen, das nachts nur heimlich durch eine Wandspalte kommunizieren kann.

Wunderbar leichtfüßig laufen schon die Proben des dilettantischen Theaterspiels aus dem Ruder. Anatol Käbisch glänzt als Klaus Zettel, der neben dem Pyramos am liebsten alle Rollen an sich reißen würde. Luis Quintana gibt den hilflosen Regisseur Peter Squenz, Alina Danko legt im Fatsuit einen hinreißend verdrucksten Franz Flaut hin, der die Thisbe zu übernehmen hat, und Marie Scharf gibt grandios die verschüchterte Stephanie Schnock, die ausgerechnet als brüllender Löwe erschrecken soll.

Regisseurin Mona Kraushaar macht sich Shakespeares Fabulierlust gekonnt zu eigen

Beim Spiel im Spiel begeistert auch Anne Kulbatzki als „Wand“. Mit minimalistischem, aber herrlich ironischem Spiel gibt sie den Strippen ziehenden Kobold, bis sie am Ende, als sich endlich alle Liebespaare im Menschen- und Elfenreich gefunden haben, die Pop-Schmonzette „Reality“ anstimmt.

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Die Inszenierung ist ein wenig wie ein roher Diamant, ungeschliffen, an manchem Übergang wirkt sie auch noch unfertig, das hat jedoch seinen Charme. Regisseurin Mona Kraushaar macht sich Shakespeares Humor und Fabulierlust auf so gekonnte Weise zu eigen, das man sich eingeladen fühlt, diese so beliebte und viel gespielte Komödie wieder neu zu entdecken.

„Ein Sommernachtstraum“weitere Vorstellungen bis 5.7., Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten unter T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de