Hamburg. Ein harter Brocken: Im Schauspielhaus war als Theater-Festival-Gastspiel „Agamemnon“ zu sehen. Der Blick in eine kalte Welt voller Gewalt.

Vor dem Start senkt sich erst einmal der Vorhang über die offene Bühne des Schauspielhauses. Technische Probleme, erklärt ein Mitarbeiter und bittet um Geduld. Mit einer Viertelstunde Verspätung geht es dann los. Ulrich Rasches „Agamemnon“-Inszenierung ist beim Hamburger Theater Festival angekommen. Und sie zeigt deutlich die Signatur des für bildgewaltige, aber auch unerbittliche Abende bekannten Regisseurs und Bühnenbildners. Ensemble wie Publikum sehen sich einer überwältigenden Bühnenmaschinerie gegenüber.

Hamburger Theater Festival: Erst streikt die Technik, dann wird es düster

Die zehn Spielenden, schwarz gewandet in minimalistische Kostüme, schreiten in einer physisch eindrucksvollen Leistung während der zwei Stunden die unermüdlich kreisende Drehbühne ab – mal mit ihr im Fluss, mal im Kampf gehen sie. Dunkelblaues Licht und Nebel tauchen die Bühne in düstere Stimmung. Drei Live-Perkussionisten und eine -Perkussionistin bedienen eindrucksvoll auf einem ebenfalls mitdrehenden Steg ein Marimbafon und diverse Trommeln, geben mit der Komposition von Nico van Wersch einen kriegerischen Marsch-Rhythmus vor.

Der Text der antiken Vorlage des Aischylos erklingt in der Fassung von Walter Jens laut und mit viel Emphase. Es ist eine kalte, feindliche Welt, die Rasche vorführt. Agamemnon, der Anführer der Griechen, hat nach zehn Jahren Kampf Troja besiegt, doch von Triumpf keine Spur. Mitglieder des Chores halten ihn stützend aufrecht. Mit eindringlicher Zerrissenheit gibt Thomas Lettow den Herrscher, der seine Tochter Iphigenie geopfert hat, um die Götter für günstige Feldzug-Winde milde zu stimmen. Aus dem beeindruckenden Chor schälen sich immer wieder einzelne Schauspielerinnen und Schauspieler heraus, neben Agamemnon unter anderem Moritz Treuenfels als Menelaos, überholen die übrigen für kurze Solo-Auftritte. Nur eine schreitet allein: Agamemnons Ehefrau Klytämnestra, sehr kraftvoll gespielt von Pia Händler.

„Agamemnon“: eine imposante, aber auch fordernde Inszenierung

Die Kälte, der Hass, die archaische Sprache binden die Tragödie auch ohne explizite Bezüge an die Gegenwart und ihre Konflikte. Sechs Quadrate in der Höhe spiegeln die Choreografie der Marschierenden, gefangen in der imposanten, aber auch fordernden Inszenierung, ein Kreislauf der Gewalt.

Mehr Kultur

Trotz der Tempowechsel der Rhythmusgruppe entbehrt der Abend auf Dauer nicht der Monotonie, allzu gleichförmig dröhnen die Worte, lassen wenig Raum für Individualität. Am Ende ist die Szenerie etwas vorhersehbar in rotes Licht getaucht: Es kommt zum vernichtenden Blutrausch. Klytämnestra nimmt, nachdem sie ihrem Ehemann erst geschmeichelt und den Sieg heuchlerisch gefeiert hat, blutige Rache an Agamemnon und an der Seherin – und Konkubine – Kassandra. Nunmehr buchstäblich entblößt, lenkt sie neben ihrem Verbündeten Ägisth weiter unermüdlich ihre Schritte über die Drehbühne. Bis ihr im ewigen Kreislauf der Gewalt ein neuer Gegner angekündigt wird. Ein formal eindrucksvoller und stark gespielter, aber auch herausfordernder Abend.

Hamburger Theater Festivalbis 24.6., diverse Theater, Infos und Karten unter www.hamburgertheaterfestival.de