Hamburg. Auftritt beim Internationalen Musikfest Hamburg: Der Abend verlief fast ohne Pausen, dafür mit verblüffenden Momenten. Die Kritik.
Das Verfahren der britischen Komponistin Rebecca Saunders, sich von einzelnen Klängen als Urzelle eines neuen Werkes leiten zu lassen und daraus die Strukturen für dessen ganzen Verlauf abzuleiten, hat ihren Stil unverwechselbar gemacht. Sie braucht keine Motive oder Themen, die sich auf Anhieb einprägen. Saunders forscht eher wie eine Chemikerin, welche Reaktionen sich aus den Klangmischungen und -verformungen ergeben, und lässt sich dabei oft genug selber überraschen.
Mit einem aufregenden Konzert des Ensemble Resonanz beim Internationalen Musikfest Hamburg fand die eine Saison währende Residency der heute in Berlin lebenden Komponistin in der Elbphilharmonie am Dienstag ihren Abschluss.
Elbphilharmonie Hamburg: Ensemble Resonanz überrascht bei Konzert
Es war ein Konzert ohne Pause, bei dem vier ihrer Stücke fast ohne Unterbrechung gespielt worden wären, wenn eine kleine Umbaupause nicht für den Auftritt von sechs Streichern und dem Abtransport eines riesigen, vorher gebrauchten Schlagwerk-Arsenals nötig gewesen wäre. Da bot es sich dann auch gleich an, das ausschließlich der Musik von Saunders gewidmete Konzert mittendrin mit einer 400 Jahre alten Fantasia g-Moll ihres Landsmanns William Byrd zu würzen, bei der das Ensemble Resonanz seine außerordentlichen Qualitäten in der Interpretation Alter Musik einmal mehr unter Beweis stellen konnte.
Das dunkle Timbre vor allem der Bratschen und Celli in diesem abwechslungsreichen Stück, das immer wieder in Inseln der Ruhe mündete, hatte eine gewisse Verwandtschaft zum Klang der tiefen Streicher auch in Saunders nachfolgendem Konzert für Violoncello, Streicher und Schlagwerk mit dem Titel „Ire“ unter der Leitung von Gregor A. Mayrhofer. Das Cello der Solistin Saerom Park begann mit zitternden Vibrati und Auf- und Abwärtsbewegungen ihrer linken Hand auf dem Steg und hatte durch den später hinzutretenden, den Celloklang verfremdenden Kontrabass eine grummelnde, zuweilen sogar fast knurrende Klangfarbe. Im Hintergrund strich der Schlagzeuger Dirk Rothbrust mit Streicherbögen ein hängendes Becken an und erzeugte damit einen Effekt, den die Saunders-Fans bei diesem Konzert bereits zu Beginn bei „Dust“ erleben durften.
Ensemble Resonanz mit Metallschienen und Glocken bei Elbphilharmonie-Konzert
In „Dust“ („Staub“) ließ Rothbrust die Klangwolken von Saunders Modulen, wie die Komponistin es nennt, nur so durch den Kleinen Saal der Elbphilharmonie wehen. Dabei kamen unterschiedlich lange, diagonal aufgehängte Metallschienen oder auch Glocken und Bleche zum Einsatz, die er mit Schlegeln, aber auch Ellbogen und Fäusten zum Klingen brachte.
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Hätte man die Aktionen des Interpreten nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte man die sich überlagernden und lange verhallenden Klänge sogar Blasinstrumenten zuordnen können. Toll war es auch, wie die sieben riesigen, aufgehängten Triangeln im letzten Modul nicht von Rothbrust, sondern von vier plötzlich auftretenden Streichern des Ensemble Resonanz angeschlagen wurden und sich beim danach gespielten Streichquartett „Unbreathed“ von Saunders immer weiter drehten.