Hamburg. „This Is My Time“ – nach einer langwierigen Krankheit legte der Entertainer beim Heimspiel ein blitzsauberes Set hin. Und zeigte private Fotos.
Zunächst ein paar Gedanken über die Aura eines Konzerts. Sie kann sich schnell wandeln. Eben noch wirkte alles kurz deprimierend. Dann wurde deutlich: „Wirken“ bedeutet nicht „Sein“. Um was geht es? Wenige Monate nach einer langwierigen Erkrankung kamen zum Heimspiel-Konzert des Hamburger Pop-Entertainers Sasha in der Barclays Arena nur superschlappe 4000 Menschen.
In einer Mehrzweckhalle, in die theoretisch mehr als 12.000 Menschen hineingehen, ist das ein ganz schlechter Witz. Abgehängte Ränge, verkürzter Raum: Das sieht immer unattraktiv aus. Wie bestellt und nicht abgeholt. Ist Sasha also der ranzige Gouda, der am Ende der Woche in der Käsetheke gammelt?
Sasha nach Krankheit in Hamburg: Nach drei Stunden gab‘s einen Kuss von seiner Frau
Nein, nein, nein. Denn die Aura ist, was sie ist, ein Ding, das ins Umgekehrte zu schlagen imstande ist. Der Sänger schaffte es nicht allein mit professioneller, nein, mit reell wirkender Begeisterung aus der Schrumpf-Nummer ein Riesending zu machen. Das hieß auch, was gar nicht so selten vorkommt, dass die, die da waren, nicht allein aus Gründen der künstlertröstenden Überkompensation dennoch sehr gut in Stimmung waren.
„This Is My Time – Die Show!” ist der Name des aktuellen Bühnenprogramms, das auch in Buchform erschienenen ist. Die literarische Autobiografie ist auf der Bühne eine Songrevue, durch die der erfreulicherweise komplett selbstironische Künstler mit allen mitnehmenden Gastgeberqualitäten führt.
Die Show in der Barclays Arena war eigentlich für Dezember terminiert, Sasha musste damals die gesamte Tour krankheitsbedingt absagen. Die Hamburgerinnen und Hamburger kennen sie aber eh schon, im November 2022 war Sasha mit „This Is My Time“ in der Laeiszhalle. Ist das der Grund, warum es jetzt nicht voller wurde? Oder entspricht das Fassungsvermögen der Laeiszhalle womöglich eher seinen aktuellen Popularitätswerten?
Hamburg-Konzert nach langwieriger Krankheit: Sasha unterhält Publikum fast drei Stunden
Billig ist die Tour, die ihn nach Lingen und Hamburg im Mai noch in acht weitere Hallen und im Sommer auf einige Open-Air-Bühnen führen wird, sicher nicht: Sieben Musiker, zwei Sängerinnen sind am Start, zwei Tänzerinnen und zwei Tänzer.
Die Entourage begleitete den Entertainer in Hamburg durch zweieinhalb Jahrzehnte Sasha-Schaffens. Mit pointierten Ansagen („Heute hätte ich mit dem Fahrrad zum Konzert kommen können, ich bin seit 20 Jahren Hamburger, also zumindest adoptiert.“) lotste der auch stimmlich bestens aufgelegte Sasha das Publikum von Song zu Song. Da waren die Klassiker vom Hit-Album „Dedicated to …“ dabei, das damals, als man noch CDs kaufte, in jedem gut sortierten Musikschrank, sagen wir, mittelehrgeiziger Pop-Erkunder stand. „If You Believe“ gab es dabei genauso wie „You Can Leave the World Behind“ nicht ganz am Anfang, versteht sich von selbst.
Der Titelsong vom deutschsprachigen „Schlüsselkind“-Album kam zu seinem Recht, aber auch ein bisschen was vom 2023 erschienenen Mittlere-Karriere-Werk „This Is My Time. This Is My Life“. Sasha – geprägt wurde er von der Plattensammlung der Eltern, Reinhard Mey, Julio Iglesias, Frank Sinatra – trug die Lieder mit Emphase vor, er hat auf der Bühne schon immer eine gute Figur gemacht.
Sasha liefert in Hamburg eine voluminöse Show ab, der es an nichts fehlt
Man konnte das alles nicht anders als kurzweilig, als unterhaltsam und komisch (die Coverversion von „The Power of Love“, überhaupt viele Cover, Sinatra, Lionel Richie, Pearl Jam, krude Mischung) bezeichnen; es fehlte nichts, diese Show hatte an diesem Abend tatsächlich Volumen. Private Fotos auf der Leinwand, ein tatsächlich ausschweifend und belustigt vom eigenen Werdegang erzählender Protagonist (vom ersten Kuss, den ersten Bands, von Idolen wie Falco, von einer Art Befreiung durch Grunge, vom Weltruhm in den 90ern, der Flaute danach); das war die sympathische Sashashow. Mit Dick-Brave-Rock-‘n‘-Roll-Ausflug.
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Der westfälische Junge aus ganz kleinen Verhältnissen, der zum Wahlhanseaten wurde, ist jetzt mit 52 im besten Crooner- und Las-Vegas-Alter. Neue Hits braucht er vermutlich gar nicht, es reichen die Backlist, die vielen Lieblingsstücke, die er versiert nachsingt, und die, genau, Aura des Mannes, der nicht ganz ein Superstar geworden ist, aber doch zur Marke in der deutschen Popproduktion.
Am Ende der fast dreistündigen Show gab es ein Küsschen von der Bühne für seine Frau Julia. Oder umgekehrt. Es war also auch ein romantischer Abend.