Hamburg. Die Band von Rock- und Hollywoodstar Jared Leto zog für 5000 Fans in Hamburg wirklich alle Register der Konzertunterhaltung.

Bei nicht wenigen Bands kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo man nicht mehr den gleichen Stiefel weiter auslatschen will, sondern ein Experiment wagen. Großes erschaffen, wenn einen alle für wahnsinnig halten. Dann macht Metallica ein Bluesrock-Album, Mando Diao eine Disco-Platte – oder 30 Seconds To Mars Ausflüge zu den Electro-Pop-Sternen, um damit am Sonntag in der Barclays Arena zu landen.

Obwohl so wirklich stimmt das ja nicht. Zwar erschien im September 2023 mit „It‘s The End Of The World But It‘s A Beautiful Day” ein tatsächlich sehr elektronisches Album der eigentlich für Stadion- und Bombastrock bekannten Band von Hollywoodstar Jared Leto („Dallas Buyers Club“) und seinem trommelnden Bruder Shannon. Aber die Kritiken waren eher gemischt beim ersten Album nach dem Abgang von Gitarrist Tomo Miličević 2018, das kommerzielle Ergebnis im kaum messbaren Bereich. Und auch in der Barclays Arena tummeln sich erkennbar weniger Fans als bei den Shows von 30 Seconds To Mars 2013 und 2018. Ungefähr 5000 dürften es sein. Das ist immer noch eine respektable Menge.

Leto und 30 Seconds To Mars: Lieber beim Altbewährten

Leto & Leto und der angestellte Zusatzmusiker für Gitarre und Keyboards Stevie Aiello – wie bei der Vorband Jagwar Twin kommt der Bass als Playback vom Band – gehen daher auf der „Seasons“-Tour, benannt nach einem von nur zwei auf der Konzertreise gespielten neuen Songs, auf Nummer sicher. Lieber bleiben sie beim Altbewährten, auch wenn sie natürlich auch schon von 1998 bis 2018 eine musikalische Entwicklung gezeigt haben, von Alternative zu mehr Mainstream-Rock.

Optisch sehr nahe an Jesus Christ Rock Superstar: Jared Leto von 30 Seconds To Mars beim Konzert in der Hamburger Barclays Arena.
Optisch sehr nahe an Jesus Christ Rock Superstar: Jared Leto von 30 Seconds To Mars beim Konzert in der Hamburger Barclays Arena. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Und so geht es los mit „Kings And Queens“, dem ersten Spitzenplatz von 30 Seconds To Mars in den US-Alternative-Charts 2009. Bescheiden wie immer marschiert Jared erst gefilmt durch die Arena-Katakomben und dann nach einem Countdown (von 100 runter bis 30, natürlich) durch das Publikum zur Bühne, und lässt sich, auf den Brettern angekommen, mit langen Fanchören feiern wie Jesus Christ Rock Superstar, dem er optisch sehr nahekommt mit schwarzem Umhang, Bart, XXL-Sonnenbrille, Cowboyhut und langer Mähne: „Walk On Water“ ist nach „Up In The Air“ der passende Song dafür. Die Laune im Saal ist sehr gut und wird mit Konfetti und Pyros beantwortet.

30 Seconds To Mars in Hamburg: dies, das, Ananas

Während Shannon vor der großen, dreieckigen Videowand auf die Felle klopft, lädt Jared bei „Rescure Me“ sieben Fans auf die Bühne ein. Diverse Mitmachaktionen, Mitsingspiele und weitere Animationen (alle hinsetzen und aufspringen, Deutschlandfahne, Fotopause, Anruf bei Mama Leto zum Muttertag, dies, das, Ananas) haben eine lange Tradition bei 30 Seconds To Mars. Und man fragt sich ebenso lange, ob Jared, zuletzt 2023 in „Geistervilla“ im Kino zu erleben, die Rolle des Sängers tatsächlich lebt oder nur spielt, so übermotiviert wie er den ganzen „Verhaltenskodex Rockstar-Klischee“ abspult – aber das auf Oscar-reifem Niveau.

Die Fans wurden von 30 Seconds To Mars stark ins Konzertgeschehen einbezogen.
Die Fans wurden von 30 Seconds To Mars stark ins Konzertgeschehen einbezogen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Da darf es an nichts fehlen. Ein Akustik-Set ist mittlerweile bei vielen Konzerten obligatorisch. 30 Seconds To Mars aber treiben es in Hinblick darauf, dass sie gerade ein Electro-Pop-Album veröffentlicht haben, noch auf die Spitze und spielen nach „This Is War“ 15 Minuten mehr oder weniger unplugged, Kurzversionen auf Zuruf von „City Of Angels“ und „Alibi“ bis „From Yesterday“. Aber bevor der Drang zum Bierstand zu stark wird, wird mit „Stay“, „Night Of The Hunter“, „City Of Angels“ und „Beautiful Lie“ die Tür zum Arena-Emo-Rockpomp wieder aufgerissen. Bei „Attack“ brennt der Raum mit meterhohen Feuersäulen.

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Zum Schluss wird der Strom noch mal auf Volllast hochgefahren für den Zugabenteil. Das aktuelle Album „It‘s The End Of The World But It‘s A Beautiful Day” kommt erneut zum Zug mit dem technikbedingt zweimal gestarteten, von Jared mit einem Bengalo angekokeltem „Stuck”, und nach 105 Minuten, „The Kill (Bury Me)” und „Closer To The Edge” ist es Zeit für das Fazit: Es ist vielleicht nicht der spektakulärste Konzertabend gewesen, aber er lieferte gut ab bis zu Jareds finalem Bad in der Menge mit 60 Fans auf der Bühne. Der zweite Platzsturm des Tages in Hamburg. In der Arena … neben dem Volksparkstadion.