Hamburg. NordArt mit Wunderland-Effekt: 200 Künstlerinnen und Künstler zeigen in Büdelsdorf Werke vom Schrott-Roboter bis zum Riesenhasen.

An diesem Sonnabend beginnt in Büdelsdorf bei Rendsburg die fünfte Jahreszeit im norddeutschen Kulturkalender: Die große zeitgenössische Kunstausstellung NordArt öffnet ihre Tore. Bis zum 6. Oktober zeigen mehr als 200 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt aktuelle Werke. Als Besucher kann man einen ganzen Tag lang durch den 80.000 Quadratmeter großen Skulpturenpark streifen und in der ehemaligen Eisengießerei Carlshütte und der Wagenremise mit insgesamt noch einmal 22.000 Quadratmetern Fläche in höchst unterschiedliche Kunstwelten und Perspektiven abtauchen.

Es ist Tradition, dass die Ausstellung in jedem Jahr einen NordArt-Preis sowie einen Publikumspreis vergibt. In ihrem 25. Jubiläumsjahr präsentiert die NordArt aktuelle Werke ihrer bisherigen 57 Preisträgerinnen und Preisträger. Und die sind spektakulär.

NordArt startet: Diese Kunstwerke muss man gesehen haben

1. Die „Meerjungfrau“ des finnischen Künstlerduos Pekka & Teija Isorättyä
Für die mechanische Skulptur verwendeten die Kreativen Thunfischhaut aus Restaurantabfällen, Holz, Kunststoff, eine Flöte und Wasser. Das Besondere an den Skulpturen, Robotern und Installationen aus Altmetall, Maschinenteilen, Kunststoffabfällen, Knochen und Tierleder ist ihre Kombination mit innovativer Technik, sodass die spielerischen Kunstwerke vom Publikum aktiviert werden können.

„Meerjungfrau“ aus Thunfischhaut (Restaurantabfälle), Holz, Kunststoff und Elektronik des finnischen Künstlerduos Pekka & Teija Isorättyä
„Meerjungfrau“ aus Thunfischhaut (Restaurantabfälle), Holz, Kunststoff und Elektronik des finnischen Künstlerduos Pekka & Teija Isorättyä © Joerg Wohlfromm/NordArt  | Joerg Wohlfromm+49-172-44 90 510

2. Willi Reiches zwölfteilige Serie „Von der Wiege bis zur Bahre“
Geburt, Kindheit, Aufwachsen, Älterwerden, Sterben – jede Lebensphase und die für sie typischen Ereignisse, Vorlieben und Bedürfnisse materialisiert der deutsche Künstler durch allerlei Fundstücke („Sport“ etwa durch Boxhandschuhe, Paddel und Taucherflossen) und erweckt sie durch Kinetik zu einem zweiten Leben. Auf diese Weise findet jeder seine Assoziation zum eigenen Dasein.

3. Das Gemälde „Braves Mädchen“ von Nina Murashkina
Bei ihr prallen Welten aufeinander: Die in der Ukraine ausgebildete Künstlerin malt in der Manier Alter Meister und versieht ihre großformatigen Bilder und Keramiken gerne mit Blattgold. Ihre von Mythologie und Literatur geprägten Motive sind feministisch geprägt, sie thematisieren Körperlichkeit und Gewalterfahrung.

Zwischen den Riesenobjekten fühlt man sich wie Alice im Wunderland

4. Hasenskulptur „Hare“ von Liu Ruowang
Die Riesenaffen des chinesischen Künstler Liu Ruowang kennt jeder, der schon mal in Büdelsdorf war. Sie stehen, von Weitem sichtbar, als Dauerleihgabe im Skulpturenpark. In der ehemaligen Eisengießerei ist nun eine neue Tierskulptur zu bestaunen: ein sechs Meter großer Hase aus Cortenstahl. In einer Zeit voller Krankheiten, Kriege und Hungersnöte hofft der Künstler, dass alle Menschen so stark sind wie ein wilder Hase: klug, beweglich und wachsam genug, um in einer rauen Umgebung zu überleben und sich fortzupflanzen.

Der Chinese Liu Ruowang zeigt in diesem Jahr „Hare“, einen sechs Meter großen Hasen aus Cortenstahl.
Der Chinese Liu Ruowang zeigt in diesem Jahr „Hare“, einen sechs Meter großen Hasen aus Cortenstahl. © NordArt | NordArt

5. Installation „A Sense of Place“ von Paul Critchley
Es gibt Sofas, ein Bett, eine Badewanne, eine Toilette und sogar ein mit schmutzigem Geschirr gefülltes Waschbecken. Der Brite Paul Critchley schafft mit seiner skurrilen Installation „A Sense of Place“ die Illusion eines Hauses und das Gefühl von zu Hause. Dabei ist alles nur gemalt; die heimelige Vertrautheit der Möbel, die Nostalgie, die einen befällt bei der Kindheitserinnerung an das Haus der Großeltern, beruht auf optischer Täuschung. Perfide? Vielleicht. Aber allemal skurril.

Im Zusammenspiel mit dem Riesenhasen, der der Wohnungs-Installation gegenübersteht, entsteht „ein fantastischer Alice-im-Wunderland-Effekt“, so Inga Aru, die die Ausstellung zusammen mit ihrem Mann Wolfgang Gramm, dem Gründer der Ausstellung, kuratiert hat.

NordArt: Kunst aus China ist in Büdelsdorf immer stark vertreten

6. Installation „Halo“ von Yang Son
Das acht Meter breite Werk des chinesischen Künstlers beobachtet die Physik des Lichts. Ein hypnotisierender Lichtkreis gleitet über die Struktur des superfeinen Drahtgeflechts, als wäre er lebendig. Man guckt ihn an, und er scheint zurückzuschauen. Jeder Betrachtende wird einen eigenen Heiligenschein erblicken, der seinen Schritten folgt, wenn er sich bewegt. Es handelt sich nicht um ein dreidimensionales Werk. Es ist ein fünfdimensionales Werk, das den Wechsel von Licht und Zeit von Mensch zu Mensch einfängt.

Yang Sons fünfdimensionales Kunstwerk aus der Serie „Halo“ suggeriert den Betrachtenden einen Heiligenschein.
Yang Sons fünfdimensionales Kunstwerk aus der Serie „Halo“ suggeriert den Betrachtenden einen Heiligenschein. © Joerg Wohlfromm/NordArt  | Joerg Wohlfromm+49-172-44 90 510

Jedes Jahr erreichen die NordArt rund 3000 internationale Bewerbungen. Gramm und sein Team wählen daraus etwa 200 Künstlerinnen und Künstler aus, die „eine gemeinsame Geschichte unserer Zeit erzählen“, so der Kunstunternehmer. „Wie ein Seismograf zeichnet die Kunst die Erschütterungen der Gesellschaft auf. Sie spiegelt die Wahrheit und die Sehnsüchte der Menschheit wider. Künstlerinnen und Künstler in aller Welt sind auf dem Weg, um aus den Erfahrungen der Vergangenheit Träume für die Zukunft zu bauen. Sie schürfen wie die Archäologen in alten Zeiten, sezieren gesellschaftliche Entwicklungen der Jetztzeit – und setzen neue Utopien gegen die Hoffnungslosigkeit.“

Der Chefkurator der NordArt hat von Beginn an Beziehungen zur chinesischen Kunstszene gepflegt; dadurch ist Kunst aus dem Reich der Mitte zu einem Markenzeichen der Ausstellung geworden, „und sie fasziniert das Publikum jedes Jahr aufs Neue“, sagt Inga Aru. In der aktuellen NordArt sind 26 Künstlerinnen und Künstler aus China mit neuen Arbeiten vertreten.

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Mongolische zeitgenössische Kunst war der Länderfokus 2015. Seitdem hat die Kunst aus der Mongolei immer wieder einen großen Stellenwert in der Ausstellung. In der Wagenremise wird in diesem Jahr eine Auswahl von 20 Künstlerinnen und Künstlern präsentiert, die in ihren Arbeiten Tradition und Moderne zu einem einzigartigen Stil verschmelzen. Mit dem Fokus begeht die NordArt das 50. Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Mongolei und Deutschland.

NordArt 1.6. bis 6.10, Kunstwerk Carlshütte, Vorwerksallee, 24782 Büdelsdorf, Di–So 11.00–19.00, Tageskarte in der Woche 18,50 Euro, am Wochenende 21 Euro (für Schüler 6,50/8,-). Kinder bis sechs Jahre haben freien Eintritt. www.nordart.de