Hamburg. Elisabeth Leonskaja gab ein hinreißendes Solorecital im Großen Saal. Die Pianistin verwandelte ihr Instrument in ein ganzes Orchester.

Brahms, Brahms und noch mal Brahms. Alle drei Klaviersonaten des Komponisten an einem Abend, sonst nichts. So ein Programm muss man schon wollen. Und natürlich auch können. Um diese anspruchsvolle Musik überhaupt zu beherrschen, braucht es erst mal eine Menge Hand- und Armwerk und gute Kondition. Um das Publikum zu fesseln, darüber hinaus noch ein ideales Miteinander von Kopf, Herz und Pranke.

Was für eine Kraft diese Musikerin hat: Elisabeth Leonskaja nach ihrem Klavierabend in der Elbphilharmonie in Hamburg
Was für eine Kraft diese Musikerin hat: Elisabeth Leonskaja nach ihrem Klavierabend in der Elbphilharmonie in Hamburg © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Das fand Elisabeth Leonskaja bei ihrem Solorecital im Großen Saal der Elbphilharmonie vor allem in der zweiten Sonate. Ein hochromantisches Stück, in der Tonart fis-Moll, erfüllt vom Feuer und der Leidenschaft des damals gerade 19-jährigen Johannes Brahms. Als junger Pianist reizte er die Möglichkeiten der Klaviersonate bis an ihre Grenzen aus. Seine Musik erzählt vom glühenden Drang, die ganze Tastatur und damit auch die Welt zu erobern.

Elbphilharmonie: Elisabeth Leonskaja gab ein hinreißendes Solorecital im Großen Saal

Leonskaja ließ den Flügel rauschen, stürzte sich in Steigerungswellen, spitzte steile Crescendi zu und verwandelte das Instrument in ein Orchester. Was für eine Kraft sie hat! Überwältigend, wie sie den ganzen Saal füllte, mit einem satten, voluminösen Klang im Forte, der aber niemals zu scheppern drohte. Und anrührend, wie sie, als Kontrast, in die intimen Momente der Musik hineinlauschte. Im Andante espressivo, in dem Brahms die Melodie eines alten Volkslieds aufgreift. Aber auch im Vorspiel zum Finale, in dem sich Leonskaja die Zeit nahm, verträumt abzuschweifen, bevor das abschließende Allegro seine sinfonische Wucht entfaltete.

Ja, diese zweite Sonate war der Höhepunkt. Packend, intensiv und vielschichtig. Da konnte man die besondere Nähe spüren, die die Pianistin mit der Musik von Brahms verbindet.

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Zu Beginn des Konzerts, in der ersten Sonate, wirkte sie noch eine Spur distanzierter, ein bisschen mehr wie die „Grande Dame“ des Klaviers – obwohl sie schon da mit den gedeckten Farben im Andante berührte und die Staccato-Basstöne im Scherzo perkussiv in die Tasten meißelte.

Nach der Pause schien es dann stellenweise so, als müsste Elisabeth Leonskaja ihrem krassen Pensum Tribut zollen. In der dritten und letzten Sonate, in f-Moll, griff sie hier und da auch mal daneben. Aber als erfahrene Pianistin ließ sie sich davon nicht nervös machen, fand zurück in die Spur – und betörte vor allem mit dem zarten Andante, in das Brahms ein Liebesduett hineinkomponiert hat, vielleicht unter dem Eindruck der Begegnung mit Clara Schumann. Hinreißend, dieser terzensüße Tastengesang, zwischen verzücktem Innehalten und sehnsüchtigem Drängen. Schöner kann man kaum schmachten.