Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Kunstspiel zum Mitmachen im Abendblatt. Diese Woche: „Beim Fischen“ von Lawrence Alma-Tadema.
Eine Frau, in Tücher gehüllt, steht an eine Marmorsäule gelehnt an einem Seerosenteich, in der rechten Hand hält sie einen prächtigen Fächer. Ein großes, seidenes Kissen liegt zu ihren Füßen, daneben eine silberne Schale. Auf dem Kissen liegt ein langer Bambusstab, mit dem die Dame offensichtlich gefischt hat. Wohl kaum jemand hat das Angeln so elegant gemalt und zur selben Zeit die Marmor-Architektur so präzise und virtuos wiedergegeben. Das Bild „Beim Fischen“ aus dem Jahr 1873 macht begreiflich, warum die Engländer den Künstler Lawrence Alma-Tadema (1836–1912) „Marble-Tadema“ („Marmor-Tadema“) nannten.
Der Maler, Grafiker und Bühnenbildner stammte aus dem westfriesischen Dronrijp bei Leeuwarden. Er studierte von 1852 bis 1857 bei Historienmalern an der Antwerpener Kunstakademie. Die Bekanntschaft mit dem Ägyptologen Georg Moritz Ebers brachte vermehrt orientalische Motive in sein Werk. Durch seine Hochzeitsfahrt nach Italien 1863 wandte sich der Künstler vermehrt Themen der römischen Antike zu (was in seiner späteren Wahlheimat England großen Anklang fand).
Meister des Marmors: So elegant malte kaum jemand das Angeln
Seine archäologisch exakten Historiengemälde und sein kühler, erst düsterer und später immer heller und glänzender werdender Stil brachten ihm schon zu Lebzeiten viele lukrative Aufträge, Erfolg und Ruhm. Sein Einfluss reicht aber bis heute: So inspirierten seine detailreichen, großformatigen Panoramen Hollywoodfilme wie „Ben Hur“, „Cleopatra“ und „Gladiator“.
1870 zog Alma-Tadema nach England; drei Jahre später nahm er die englische Staatsbürgerschaft an. Mit seiner zweiten Frau lebte er in einer eigens von ihm entworfenen und gestalteten Tudor-Stadtvilla in London und wurde zu einem der wohlhabendsten Künstler seiner Zeit. Denn der britische Geldadel, von dem viele Aufträge ausgingen, sah sich in den alten Römern auf seinen Bildern, den sogenannten „Victorians in Togas“, zu denen auch „Beim Fischen“ gehört, repräsentiert. Besonders geschätzt wurde er für seine meisterhafte stoffliche Wiedergabe von Oberflächenstrukturen, eben von Marmor, aber auch von Edelmetallen und Blumen.
Bild kam durch die Stiftung eines Hamburger Bankiers in die Kunsthalle
Das hier gezeigte Gemälde gelangte 1910 durch die Freiherr Johann Heinrich von Schröder-Stiftung in die Hamburger Kunsthalle. John Henry Schröder übernahm 1849 die väterliche Bank J. Henry Schröder & Co. in London und anglisierte seinen Namen. Nach der Heirat mit Eveline Schlüsser und entsprechend seiner finanziell gut gestellten Herkunft baute er in den 50er- und 60er-Jahren seine Sammlung auf. Unter den 63 Gemälden und sieben Skulpturen sind Künstler wie Andreas Achenbach, Camille Corot, Jean-Léon Gérôme, Ludwig Knaus, Ernest Meissonier, Adolph von Menzel sowie der Niederländer Lawrence Alma-Tadema. Der Schwerpunkt liegt auf realismustreuer Genre- und Landschaftsmalerei.
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Von den ursprünglich 71 Werken befinden sich heute noch 48 Werke im Eigentum des Museums. Hauptsächlich zwischen 1921 und 1932 wurde die Stiftung durch Verkäufe verkleinert. Auch einige Werke von Alma-Tadema, Meissonier oder die Skulpturen von Eduard Müller verließen den Bestand der Kunsthalle. Doch nicht „Beim Fischen“. Das Bild, das Alma-Tadema mit Öl auf Mahagoniholz malte, ist auch heute noch Teil der bedeutenden Sammlung 19. Jahrhundert.