Hamburg. Eine Beziehung zu Deutschland haben sie schon lange. Auf „Nonetheless“ würdigen sie unsere Kultur mit „The Schlager Hitparade“. Nun ja.
Die Frage, ob man in der elektronischen Tanzmusik in Würde altern kann, ist für Hamburgerinnen und Hamburger seit zwei Jahren beantwortet. Da feierten die Pet Shop Boys in der Barclays Arena ihre seit bald 40 Jahren andauernde Karriere mit einem rauschhaften Konzert. Jetzt gibt es ein neues Album des nicht anders als legendär zu nennenden Duos: „Nonetheless“ erscheint mal wieder zum richtigen Zeitpunkt; man wusste erneut gar nicht, wie sehnsüchtig man auf Songs von Neil Tennant und Chris Lowe gewartet hat.
Tennant ist 69 Jahre alt, er ist immer noch ein Hit-Sänger. Denn das sind die neuen Stücke, ausnahmslos Hits. Fraglos nicht mehr in der ersten Liga angesiedelt, was die Aufmerksamkeitsbörse angeht. Hoch gehandelt wird das Duo in erster Linie bei den Leuten, die mit ihnen gealtert sind. Was nicht direkt der Grund ist, warum „Nonetheless“ eine melancholische Angelegenheit ist. Dass die Ära, in denen die Pet Shop Boys die Charts regierten, schon länger vorbei sind, dürfte die Briten kaum stören. Das ist der unvermeidliche Lauf der Dinge. Wer seit Jahrzehnten die gleichzeitig einfachsten und cleversten Popsongs schreibt und performt, der ist klug genug, die Gesetze des Pop zu kennen.
Das neue Album der Pet Shop Boys: Tanzen bei untergehender Sonne
Die Bittersüße von Stücken wie „Why Am I Dancing?“ schöpft ihren dicken Schwofrahm aus dem Altern selbst. „Why am I dancing/When I’m so alone?/What do I have to celebrate/Here on my own?“ singt Tennant mit matt-müder Fröhlichkeit. Ja, das sind die fabelhaften Pet Shop Boys im Jahr 2024: Heute noch tanzen sie allein bei untergehender Sonne auf einer, sagen wir, südfranzösischen Terrasse. Übermorgen schon laufen ihre Songs beim Tanztee im Seniorenheim, womöglich in ihrem Beisein. Guter Geschmack ist aber so oder so keine Frage des Alters. Und natürlich ist das hier alles Quatsch – 70 ist das neue 50. Was den Sound selbst – „Nonetheless“ wurde von James Ford (Arctic Monkeys, Depeche Mode) produziert – angeht, gilt weiterhin: ein Pet-Shop-Boy-Lied ist zeitlos.
„Nonetheless“ hat viele Melodien und opulente Streicher, ist ein Album wie aus einem Guss. „Dancing Star“ ist Rudolf Nurejew gewidmet, „Bullet for Narcissus“ ein origineller, unerwarteter Anti-Trump-Song. Aber einen „deutschen“ Spin hat dieses Album, apropos Gemütlichkeit, eben auch. Tennant und Lowe haben seit langem eine beinah innige Beziehung zu Deutschland und viel Zeit in Berlin verbracht, nicht nur wegen Plattenaufnahmen.
Was die lokale Kultur angeht, kann man da Germany nicht unbeschadet überstehen, wie es scheint. Ein Stück auf „Nonetheless“ heißt „The Schlager Hitparade“ und handelt genau von jener teutonischen Heimsuchung, von der der größte Teil der Welt verschont bleibt. Von „Glühwein, Wurst and Sauerkraut“, singt Tennant und auch von Sangria, weil Mallorca bekanntlich auch zu Deutschland gehört. Der Song ist eine leicht spöttische, ironische, aber sicher nicht hundsgemeine Betrachtung deutscher Heile-Welt-Narrative, die aus der Nachriegszeit bis heute überdauert haben. Lieber Schunkelmusik statt Krieg, so gesehen: ein deutsche Erfolgsgeschichte.
Die Pet Shop Boys wiederum schreiben mit diesem Album, einem der besten ihrer zweiten Karrierehälfte, ihre Geschichte des sophisticated, strahlenden, schicken Pops fort. Am 29. Juni spielen sie in Hannover.