Hamburg. „Ich sehe was, was du nicht siehst“, das Kunstspiel zum Mitmachen. Cornelis Cornelisz. van Haarlem: „Der Sündenfall von Adam und Eva“.

Die Szene ist bekannt, sie wurde tausendfach dargestellt und interpretiert, vor allem in der christlichen Kunstgeschichte: Adam und Eva und ihre Vertreibung aus dem Paradies, nachdem sie die Früchte vom „Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ gekostet haben. Auch der niederländische Barock-Maler Cornelis Cornelisz. van Haarlem (1562–1638) hat die biblische Überlieferung ins Bild gesetzt: „Der Sündenfall von Adam und Eva“ (1622). Das 87 mal 64 Zentimeter große Ölgemälde war einst ein Geschenk des Konsuls Eduard F. Weber an die Hamburger Kunsthalle. Seit 1881 befindet es sich in der Sammlung Alte Meister.

Der als Cornelis Cornelisz geborene Künstler hängte später selbst den Namen seiner Heimatstadt an seinen Nachnamen. Nach seiner Lehrzeit und einer Flucht vor der Pest nach Antwerpen kehrte er 1580 nach Haarlem zurück, wo er zusammen mit seinen Malerfreunden Hendrick Goltzius und Karel van Mander eine Akademie gründete und damit die Stadt zu einem angesehenen Kunstzentrum machte. Cornelisz war Mitglied der St. Lukasgilde und fertigte mehrere Auftragsarbeiten für den Prinsenhof an. Sein Stil wandelte sich mit der Zeit: Zunächst von der flämischen Malerei geprägt, wandte er sich später dem von Italien ausgehenden Manierismus zu.

Hamburger Kunsthalle: „Sündenfall“-Bild über den mächtigsten Mythos der Menschheitsgeschichte

Der Künstler hält in seinem Gemälde die brisante Situation fest, die letztlich Anstoß für Gottes Ärger ist: Der nackte, nur mit einem Feigenblatt bedeckte Adam sitzt mit gekreuzten Füßen auf einem großen Stein, seinen rechten Arm hat er in eigenartiger Pose nach oben gestreckt. Seine linke Hand ist kurz davor, den von Eva angebotenen Apfel entgegenzunehmen.

Cornelis Cornelisz. van Haarlem, „Der Sündenfall von Adam und Eva“, 1622, 87 mal 64 Zentimeter (Höhe mal Breite), Öl auf Leinwand.
Cornelis Cornelisz. van Haarlem, „Der Sündenfall von Adam und Eva“, 1622, 87 mal 64 Zentimeter (Höhe mal Breite), Öl auf Leinwand. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford | Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Merkwürdig ist aber daran, dass Adam nicht auf die Frucht, sondern zur Seite blickt, während sich Eva auf die bevorstehende Übergabe konzentriert. Das Paradies hat Cornelisz eher düster hingelegt: Pflanzen und Tiere – Taube, Eule, Frosch und Ziegenbock – tauchen schemenhaft aus dem dunklen Hintergrund hervor.

Auch die Figur der nackten Eva ist nicht lieblich-verführerisch dargestellt, sondern ihr Körper hat einen maskulinen, athletischen Touch; zudem steht sie Adam in gedrungener Haltung gegenüber. Dagegen sind ihre Gesichtszüge fein gezeichnet. In ihrer linken Hand hält Eva einen zweiten Apfel parat, vom Baum kommt eine Schlange mit einer weiteren Frucht im Maul hinunter.

podcast-image

Der lateinische Begriff „malus“ steht sowohl für Apfel als auch für „schlecht, schlimm, böse“. Damit ist der Fall klar: Die Frau ist schuld an der ganzen Misere! Warum ausgerechnet eine Frau (dargestellt durch die Eva) die Menschheit, personifiziert durch den Adam, verführte, wird in der Bibel allerdings nicht beantwortet.

Der britische Harvard-Literaturprofessor Stephen Greenblatt befasst sich in seinem Buch „Die Geschichte von Adam und Eva“ mit dem Sündenfall, den er als den „größten Mythos der Menschheit“ bezeichnet. Der Autor blickt hinter die Fassade dieses Mythos, befasst sich mit dessen Inhalt und Wirkung. Nachdem Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis genascht haben, bemerken sie, dass sie nackt sind. Aber auch, dass sie sich über Gottes Verbote hinwegsetzen können; der Sündenfall als Akt der Gleichberechtigung, bezahlt mit der Verbannung aus dem Paradies.

Mehr zum Thema

Die Folge: Die Menschheit erfährt Leid durch Umweltkatastrophen, Hunger, Armut, Krankheit, Hass und Unterdrückung. Laut Greenblatt erklärt der Sündenfall, warum es in der Welt so viel Schlechtes gibt, resultierend aus dem Egoismus der Menschen.