Hamburg. Bewahren, erforschen, ausstellen ist das Motto – Stadt und Bürgerschaft unterstützen Projekt mit 800.000 Euro aus dem Sanierungsfonds.

Was geschieht mit den Werken einer Künstlerin oder eines Künstlers, wenn kein engagierter Erbe, Historiker, Galerist oder Museumsleiter sich darum kümmert? Schlimmstenfalls werden die Vor- oder Nachlässe auseinandergerissen oder in alle Richtungen zerstreut, verkauft oder gehen verloren. Um solche Schätze zu sichern, professionell aufzuarbeiten, zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gründeten 2003 engagierte Hamburgerinnen und Hamburger den gemeinnützigen Verein Forum für Künstlernachlässe (FKN) unter dem Motto „Künstlerisches Erbe ist kulturelles Erbe, und seine Vielfalt gilt es zu bewahren!“.

Das Künstlerhaus Sootbörn in Niendorf. Nebenan soll ein moderner Erweiterungsbau für Archiv und Ausstellung des Forum für Künstlernachlässe entstehen.
Das Künstlerhaus Sootbörn in Niendorf. Nebenan soll ein moderner Erweiterungsbau für Archiv und Ausstellung des Forum für Künstlernachlässe entstehen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die erste Initiative dieser Art in Deutschland hat ihren Sitz seit 2005 im Künstlerhaus Sootbörn, ein Atelier- und Ausstellungshaus, das sich bereits seit 30 Jahren in einem ehemaligen Schulgebäude in Niendorf befindet. Dort kamen am Freitag Gora Jain, Vorsitzende des Forums, Thomas Sello, Stiftungsvorsitz des Forums, und Kultursenator Carsten Brosda (SPD) zusammen, um ein freudiges Ereignis zu verkünden: Noch in diesem Jahr sollen die Arbeiten für ein neues zweigeschossiges Archivgebäude neben dem Künstlerhaus am Sootbörn 22 beginnen. Auf 680 Quadratmetern Fläche können somit Depot, Ausstellungsbereich und Arbeitsräume untergebracht werden. Die Bauzeit wird auf gut ein Jahr geschätzt.

Stadt investiert: In Niendorf entsteht ein neues Forum für Künstlernachlässe

Etwa 90 Vor- und Nachlässe von Hamburger und norddeutschen Künstlerinnen und Künstlern in den Bereichen Malerei, Grafik, Bildhauerei, Objektkunst, angewandte Kunst, Fotografie und Film werden in Niendorf beherbergt, darunter Alma del Banco, Friedrich Ahlers-Hestermann, Margrit von Spreckelsen und Alfred Jensen. Mit dem Neubau bekommen diese Kunstschätze einen würdigen Ort für die wissenschaftliche Erforschung der Hamburger Kunst- und Kulturgeschichte und ihre Vermittlung durch Publikationen und Ausstellungen; Leben und Werk der Künstlerinnen und Künstler kann so vor dem Vergessen oder der Zerstörung bewahrt werden.

Visualisierung des Archivgebäudes: Offen und transparent soll der Eingangsbereich mit Ausstellungsfläche gestaltet werden.
Visualisierung des Archivgebäudes: Offen und transparent soll der Eingangsbereich mit Ausstellungsfläche gestaltet werden. © SEHW Architekten - Entwurf Andreas Horlitz | SEHW Architekten - Entwurf Andreas Horlitz

Die Stadt Hamburg stellt das Grundstück für den Archivneubau in einem unentgeltlichen Erbbaurecht zur Verfügung, die Zustimmung der Bürgerschaft vorausgesetzt. Die Bürgerschaft hat ihre Unterstützung zugesagt und wird die Stiftung Forum für Künstlernachlässe (SFKN) mit einem Zuschuss für den Bau des Gebäudes aus dem Sanierungsfonds in Höhe von 800.000 Euro unterstützen.

Gora Jain: „Archive und Museen werden immer mehr zu Orten der Sehnsucht“

„Der Verein leistet seit vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung und Erforschung künstlerischer Nachlässe und nimmt hier bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Das wollen wir unterstützen“, so Carsten Brosda. Und Gora Jain betonte, Kunst(nachlass)archive seien „keine passiven Sammelstellen, sondern aktive Zentren zielgerichteten Handelns zum Quellenerhalt, zum Schutz von Kulturgut und seiner Erforschung. Vor dem Hintergrund einer zunehmend digitalen und KI-generierten Visualität werden Archive und Museen immer mehr zu Orten der Sehnsucht auf der Suche nach Authentizität und real erfahrbarer Überlieferung. Für die Erinnerungskultur bilden sie als Schutzraum der Vergangenheitspflege die Basis für Gegenwartsreflexion und Zukunftsgestaltung.“

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„Wir brauchen viel Platz, denn es geht ja nicht nur um die sachgerechte Lagerung und Archivierung der Bestände, sondern unsere Schätze sollen auch gesehen werden“, sagte Thomas Sello, ehemaliger Leiter der Museumspädagogik an der Hamburger Kunsthalle. Neben wechselnden Ausstellungen und Werkschauen sollen auch Schulgruppen an dem Ort kreativ arbeiten. „Für diese Vision habe ich das von meinen Eltern 1939 zur Hochzeit erworbene Gemälde ‚Brücke‘ von Max Pechstein an das Zwickauer Pechsteinmuseum verkauft und von dem Erlös die Stiftung für den Neubau gegründet.“

Trafen sich am Sootbörn (v. l.): Architekt Andreas Horlitz, Gora Jain (Vorsitzende des Forums für Künstlernachlässe), Thomas Sello (Stiftungsvorstand des Forums) und Kultursenator Carsten Brosda an der Stelle, an der das neue Gebäude entstehen soll.
Trafen sich am Sootbörn (v. l.): Architekt Andreas Horlitz, Gora Jain (Vorsitzende des Forums für Künstlernachlässe), Thomas Sello (Stiftungsvorstand des Forums) und Kultursenator Carsten Brosda an der Stelle, an der das neue Gebäude entstehen soll. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Die Nachricht für das neue Archiv kommt gerade recht: In diesem Jahr feiert das Forum für Künstlernachlässe sein 20. Jubiläum. Vom 7. bis 23. Juni wird die Ausstellung „Entdeckt & Bewahrt!“ gezeigt. Darin begegnen Werke von Künstlerinnen und Künstlern des Forums wie Gisela Floto, Werner Nöfer und Karin Witte Arbeiten von Kreativen des Künstlerhaus Sootbörn, etwa Simon Hehemann, Gesa Lange oder Mariella Moser. Eröffnet wird die Feier mit einem Kulturfest mit Musik und Theater am 7. Juni, an dem auch der Kultursenator teilnehmen wird.