Hamburg. Durch jährliche Ausschüttung einer sechsstelligen Summe wird neue Kunst erworben, den Anfang macht David Novros‘ Fresko „Boathouse“.
„Es zählt zu meinen größten Erlebnissen.“ Alexander Klar ist beim Interview geradezu elektrisiert; begeistert erzählt der Kunsthallen-Direktor von einem Künstler, dessen Werk ihn 2013 buchstäblich aus den Socken gehauen habe. „Zu meiner Zeit als Direktor des Museums Wiesbaden entdeckte ich dort das mehrteilige Fresko ‚Four Seasons‘ von David Novros und wollte ihn daraufhin unbedingt kennenlernen. Er galt als schwierig, ich aber habe damals in New York einen präzisen, sehr interessierten Mann getroffen, den ich in Folge unserer ersten Begegnung alle zwei Jahre in seinem Atelier besuchte.“
Als es nun, im Zuge einer neu gegründeten Stiftung, zur Frage kam, welches Werk für die Hamburger Kunsthalle angeschafft werden solle, stand für ihn fest: Es muss ein Novros sein. Mit der Übergabe einer großformatigen Arbeit, an der 70 Gäste teilnahmen, würdigte das Museum am Dienstagabend das Engagement von Heinz H. O. Schröder (1936–2019) und feierte die Gründung der gleichnamigen Stiftung. Diese wird jedes Jahr eine sechsstellige Summe für den Erwerb von Gemälden und Skulpturen etablierter Künstlerinnen und Künstler ausschütten und damit die Sammlung des Museums stetig bereichern. Alexander Klar ist im Vorstand der Stiftung. Die Hamburger Sparkasse hat sie gegründet und verwaltet den Nachlass des Stifters.
Hamburger Kunsthalle: Neue Stiftung bereichert Sammlung
Heinz H. O. Schröder stammte aus Hamburg, seine Familie führte ein Lebensmittelgeschäft. Er studierte Jura, promovierte und wurde Senatsdirektor in der Hamburger Finanzbehörde. Schon als junger Mann soll sich Schröder für Kunst interessiert haben, gern Museen und Galerien während seiner Auslandsreisen besucht und ab und zu auch privat ein Gemälde gekauft haben; ansonsten lebte er sehr sparsam, was das jetzt zur Verfügung stehende Geld erklärt. „Als geborener Hamburger und langjähriger Senatsdirektor liegt mir besonders das Wohl meiner Vaterstadt am Herzen. Schwerpunkt meines Interesses ist die Hamburger Museumslandschaft, insbesondere die Sammlung und Aktivitäten der Hamburger Kunsthalle“, so der Stifter zu Lebzeiten.
David Novros, geboren 1941 in Los Angeles, zählt zu den bedeutendsten Vertretern seiner Generation. Bekannt geworden ist er für seinen analytischen Blick auf die Malerei: Der drückt sich sowohl in seinen „shaped canvases“ aus, großformatigen, abstrakten Gemälden auf unregelmäßig geformten, mehrteiligen Leinwänden, als auch in seinen ortsspezifischen Arbeiten, die über die Bildfläche hinausgehen und den sie umgebenden Raum einbeziehen. Sein erstes Fresko schuf Novros 1970 auf Wunsch seines Künstlerkollegen und Freundes Donald Judd für dessen Haus in SoHo, New York. Und in dessen Nachbarschaft, allerdings in Hamburg in der Galerie der Gegenwart, hängt nun eins seiner berühmtesten Werke: „Boathouse“ (2016).
Hamburger Kunsthalle: Scheinbar einfache Technik wird zur verblüffenden Raumerfahrung
Orange, Blau, Grün, Rot, Gelb, Violett – die sieben Leinwand-Paneele, auf die der Künstler abwechselnd kräftige Komplementärfarben mit subtilen Tonverschiebungen aufgetragen hat, füllen eine ganze Wand im Untergeschoss der Galerie. Von Nahem sind die durch unterschiedlich variierte Pinselstriche aufgetragenen Ölfarbschichten zu erkennen, die eine fast greifbare und doch schwer zu fassende Tiefe erzeugen. Von Weitem setzt sich aus dem angeordneten Ensemble aus Grenzen und rechten Winkeln eine Oberfläche zusammen, die mit der Architektur der Umgebung spielt. So wirkt die Arbeit ruhig und lebendig zugleich. Die scheinbar einfache Technik des Künstlers wird zu einer verblüffenden Raumerfahrung.
Ursprünglich durch einen Auftrag für ein Fresko in einem bestehenden Haus angeregt, den er ablehnte, arbeitete David Novros an einem Entwurf für ein Bootshaus in Middleburgh, New York, desselben Auftraggebers. Architektur und Malerei sollten in direkter Beziehung miteinander stehen. „Boathouse“, das so zunächst als gemalter Ort in Auftrag gegeben wurde, greift Novros in dem gleichnamigen Gemälde von 2016 auf. Inspiriert wird der Künstler von italienischen Fresken, byzantinischen Mosaiken, paläolithischen Höhlenmalereien und anderen In-situ-Kunstwerken.
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Mit Brigitte Kölle, Leiterin der Galerie der Gegenwart, war sich Alexander Klar einig, dass „Boathouse“ in die Sammlung gehört. Es ist aber auch ein strategischer Erwerb: Der Direktor will im Herbst 2026 die erste große Novros-Retrospektive in Deutschland zeigen. Was ihn besonders an dem Künstler fasziniert: „Dass er sich für ein so außergewöhnliches Medium wie die Fresken entschieden und so bewusst dem Kunstmarkt entzogen hat“, so der Direktor. „Ihm ist die Sichtbarkeit in Museen wichtig. Ich möchte die Galerie der Gegenwart mit der Ausstellung in einen bewohnbaren Kunstraum verwandeln.“ Mit „Four Seasons“ (1974), die Arbeit, die 2021 durch eine Schenkung der Sammlung Lafrenz zu Novros‘ 80. Geburtstag in die Kunsthalle kam, und „Boathouse“ hat er dafür dann schon zwei eigene, wandfüllende Arbeiten.