Hamburg. Das Theater das Zimmer spielt Mark Twains Satire „Ist Shakespeare tot?“. Intendant Lars Ceglecki tappt beim Monolog teils im Dunkeln.
Normalerweise macht im Theater das Zimmer die männliche Hälfte der Intendanz die Ansagen. Diesmal weist Sandra Kiefer darauf hin, dass das Publikum womöglich verunsichert sein könnte nach dem folgenden Solostück. Es spielt in einer Kulisse, die Kiefer ironisch „Raumverunstaltung“ nennt.
Hamburgs kleinste Bühne, in einem früheren Ladenlokal in Horn, ist inklusive des Ausgangs rundum mit weißer Plastikplane zugeklebt, wenn auch mit 30 Besuchern nicht ganz ausverkauft. Dann wird es stockfinster, es raschelt und knistert und dauert, bis Kiefers Partner, Co-Intendant Lars Ceglecki, den Raum betritt, mit Grubenlampe am Kopf. Bei Licht betrachtet steht er zunächst in einem weißen Maler-Ganzkörperanzug mit Kapuze da.
Theaterkritik: Hamburgs kleinste Bühne stellt Shakespeares Werk infrage
So absurd wie die Kulisse ist der Titel von Cegleckis Monolog: „Ist Shakespeare tot?“ Und hat jener Engländer, der zwischen dem 23. und 26. April 1564 geboren sein soll (genaues Datum unbekannt), überhaupt als Dichter gewirkt? Das hatte sich US-Schriftsteller Mark Twain in seinem letzten, halbautobiografischen Buch 1909 gefragt; das Theater das Zimmer zeigt zum (mutmaßlichen) 460. Geburtstag Shaksperares erstmals in Hamburg eine Bühnenfassung des spöttischen Essays.
Bewusst mit Bedacht, auch mit Genuss breitet Ceglecki die literarische Satire aus. Untersucht die Urheberschaftsdebatte des shakespearschen Werks mittels Anekdoten und ausgiebiger Zitierung zeitgenössischer Autoren. Dichter, Theaterunternehmer und Schauspieler. All das soll Shakespeare gewesen sein!?
Shakespeare-Titel? Immerhin 15 kommen am Premierenabend zusammen.
Weder in seinem Geburtsort Stratford-upon-Avon noch im Rest Englands wird seinem Tod 1616 Aufmerksamkeit zuteil. Trotz der Fülle an hinterlassenen Schriften entdeckt man ihn erst 60 Jahre später. Vieles basiere auf Vermutungen aus unvollständigen Biografien, meint Twain alias Ceglecki. Informationen über sein Leben stammten aus dritter Hand. Sein oder Nichtsein?
Der Schauspieler projiziert wirre Testaments-Aufzeichnungen an die Wand und bricht auch mal aus der Rolle des Erzählers aus, indem er sich wie ein Arbeiter mit „Bild“-Zeitung ins Publikum setzt und über Klatsch-News aus dem englischen Königshaus stolpert. Oder nach der Pause, im interaktiven Teil, nach Titeln von Stücken Shakespeares fragt. Immerhin 15 kommen am Premierenabend zusammen.
Theater Hamburg: Hat Sir Francis Bacon Shakespeares Werke verfasst?
Jona Manow versucht in diesem Stück über Vermutungen und Verschwörungen durchaus Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Jedoch übertreibt es der Jung-Regisseur etwas, indem er sowohl im ersten als auch im zweiten Teil zu viele absurde akustische Beispiele aus dem Internet („Angela Merkel ist Hitlers Tochter“ etc.) einspielt. Schon bei Twain gibt es fünf kultische Gruppen, was die Herkunft der Stücke betrifft: Außer den treuen Shakespearianern etwa die Baconisten, die glauben, dass die Werke nur Sir Francis Bacon verfasst haben könne. Dessen Leben sei schließlich klar belegt.
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Twain alias Ceglecki eröffnet für sich eine eigene Gruppe, die „Brontosaurianer“. Die weiß nicht so genau, ob Shakespeare oder Bacon die Stücke geschrieben hat. Übrigens: Beim Brontosaurus wurde bis heute kein Schädel gefunden...
„Ist Shakespeare tot?“ wieder Sa 13.4., 20.00, So 14.4., 16.00, bis 28.4., jew. Do–So, Theater das Zimmer (Bus 213 Hasencleverstraße), Washingtonallee 42, Karten zu 29,-/erm. 19,- unter T. 040/65 99 11 68; www.theater-das-zimmer.de