Hamburg. Die georgische Pianistin Khatia Buniatishvili, das Taiwan Philharmonic und der deutsche Chefdirigent sorgten für einen enormen Abend.

Das Taiwan Philharmonic besteht mit Ausnahme eines Cellisten, eines Flötisten, eines Trompeters und eines Paukers sowie seines in aller Welt bekannten deutschen Chefdirigenten Jun Märkl hauptsächlich aus taiwanesischen Musikerinnen und Musikern. Für seinen Auftritt in der Elbphilharmonie am Dienstag brachte es dann auch gleich ein Werk einer taiwanesischen Komponistin mit, das erst 2022 zur Uraufführung gelangt war und seitdem nicht zuletzt wegen seines unmittelbaren Bezugs zur Kultur des Inselstaats zu einem Lieblingsstück im Repertoire des Orchesters wurde.

Yuan-Chen Lins dreisätziges Orchesterwerk „Tao of Meinong“ begann mit einer kurzen Tonfolge, die im Tempo schnell anzog und nach Geigensoli und verzierenden Trillern in den Flöten gleich in fernöstliche Skalen und Motive überging. Diese hat die Komponistin der Musik des Volkes Hakka entlehnt, das vor Jahrhunderten vom chinesischen Festland nach Taiwan eingewandert war und sich im südlich gelegenen Ort Meinong niedergelassen hatte. Das im ersten Satz zitierte Wiegenlied „Yeu ni k’iak“ erklang über breiten Klangflächen der Streicher und wurde von hellen Schlagwerk-Akzenten verziert. Wellenartige, sehr rasche Figuren bestimmten den hervorragend instrumentierten zweiten Satz, der mit vier Pauken und Schlagzeugrhythmen einen Bezug zum Sprechgesang des Hakka-Volkes herstellen sollte.

Elbphilharmonie: Khatia Buniatishvili begleitet das Symphonieorchester Taiwans

Obwohl die Komponistin in anderen ihrer Werke ja durchaus auch fernöstliche Instrumente zum Einsatz bringt, beschränkte sie sich in diesem Stück ganz auf die Klangwelt eines westlichen Orchester, das unter Jun Märkls Leitung berückende Klangwelten entstehen ließ.

So eingestimmt freute man sich auf Peter I. Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 b-moll op. 23 mit der famosen Khatia Buniatishvili, die das Nationale Symphonieorchester Taiwans bei seiner Europatournee „From Formosa“ als Solistin in Hamburg begleitete. Lachend und wie immer ungemein sympathisch betrat sie an der Seite Märkls das Podium, und man war sogleich hingerissen, wie anders beide diesen Klassikhit zu interpretieren entschlossen waren.

Elbphilharmonie: Im Finale war die wunderbare Pianistin kaum zu halten

Keine hart angeschlagenen Akkordfolgen eröffneten das oft viel zu plakativ gespielte Werk, alles klang weicher und ausgewogener auf dem Flügel, und das Orchester reagierte perfekt auf die vielen Freiheiten, die sich Buniatishvili immer wieder nahm. Die Leichtigkeit bestimmte auch den ungemein transparenten Orchesterklang, durch den die vielen Feinheiten in Tschaikowskys genialer Partitur viel klarer hervortraten als gewöhnlich. Im tänzerischen, plötzlich losstürmenden Mittelteil des langsamen Satzes war Märkl fast ausschließlich der Solistin zugewandt, um kleinste Nuancen quasi vorauszuahnen und ohne Zeitverlust gleich ans Orchester weiterzuleiten. Im Finale war die wunderbare Pianistin dann kaum mehr zu halten, erhob sich bei den wilden Schlusstakten vom Klavierhocker und eilte beim Applaus voller Begeisterung in die vorderen Reihen des Orchesters, um möglichst vielen Musikern dankend die Hände zu schütteln.

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Das Feuer, das im Orchester nun erst recht angefacht war, übertrug sich auch auf Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 am Ende. Wie hingebungsvoll das Orchester den vielen Zitaten böhmischer Folklore in dieser so ungemein frischen und hellen Dvořák-Sinfonie mit allen Registern begegnete, war einfach toll. Märkl ließ sein Ensemble so recht Fahrt aufnehmen, nutzte im Adagio dann aber auch die Gelegenheit, nach dem herrlichen Klarinettenthema mit seiner aparten Wendung das Geschehen kurz ersterben zu lassen, bevor ein Paukenwirbel den nächsten, wieder höchst bewegten Abschnitt einleitete.