Der Abend mit Werken von Aribert Reimann war ein Genuss für Ohren, Herz und Kopf. Sopranistin Mojca Erdmann sorgte für den Glamourfaktor.
Hamburg. Die Freie Akademie der Künste gehört zu den kleinen Spielorten, die sich trotz eines handverlesenen Programms beim Publikum erstaunlich wenig Gehör verschaffen können. Und so ging es bei dem Abend mit Werken von Aribert Reimann geradezu familiär zu - und das, obwohl der Komponist, just für den Siemens Musikpreis 2011 auserkoren, selbst anwesend war, und obwohl die landauf, landab gefeierte Sopranistin Mojca Erdmann für den gewissen Glamourfaktor sorgte.
Zugegeben: Bei Neutönern wie Reimann kann man nicht im Sessel versinken und in Klängen baden. Aber wer sich auf Reimanns zerklüftete Tonsprache und das subtile Ineinander von Text und Musik einließ, der erntete mehrfaches Glück: für Ohren, Herz und Kopf.
Erdmanns Tonentwicklung war so mühelos, ihr Stimmklang so strömend und die Stimme so beweglich, dass ihr die riesigen Sprünge, die oft den gesamten Tonumfang zu umfassen schienen, nichts ausmachten. Vor allem aber blieben sie und der Pianist Axel Bauni bei den Liedern auf Gedichte von Friedrich Schiller und Heinrich Heine stets nah am Inhalt - nicht selbstverständlich, wenn sich eine Silbe über viele Takte und mehrere Oktaven erstreckt oder sich um ein Tonzentrum wickelt wie in einem orientalischen Lamento. Axel Bauni zauberte mit den moderat zeitgenössischen Klangeffekten und vor allem mit dem Zeitgefühl, mit dem er die wenigen Töne setzte und sein Instrument mal zum Cembalo und mal zur Röhre werden ließ.
Der Countertenor Tim Severloh musizierte mit Bauni Celan-Lieder, ebenfalls vorbildlich textverständlich und sinnbewusst - nur wirkte sein Timbre im Vergleich zu dem Schmelz von Erdmanns Sopran etwas näselig.
Wolfgang Boettcher, seit Jahrzehnten bereits Solocellist a.D. der Berliner Philharmoniker, verblüffte seine Hörer mit der Souveränität und Beredsamkeit seiner Interpretation von "Solo I" und "Solo II". Selten erlebt man bei einem Streicher im fortgeschrittenen Alter einen so freien Ton und eine so präzise Technik.
Schieres Glück war auch der Abschluss dieses besonderen Abends: vier Gedichte von Heinrich Heine, vertont von Reimann und gesungen von Mojca Erdmann. Alleine. Aber wie.