Hamburg. Traurige Lieder, Schnulzen, aber auch ein sehr persönliches Lied: Englands sympathischer Sohn brachte viel Gefühl in die Stadt.

Man muss den Kitsch unbedingt umarmen. Muss sich, falls man diesbezüglich zunächst Hemmungen haben sollte, von hinten an ihn anschleichen, vielleicht mit einer Portion dreckigem Punkrock als persönlichem Sound-Gegengift vorm großen Aufgalopp der Gefühle. James Blunt trat am Freitagabend in Hamburg auf, der große, schmalzige, bittersüße, leidende und im Pathos delirierende Pop-Brite. Es war sein zweites Konzert binnen zwei Jahren, und es war wie immer: ein Fest.

Denn wer James Blunt wenigstens nicht ein bisschen liebt, liebt das Leben nicht. So zumindest sollten sich Skeptiker die Konzerte des abseits seiner Songs notorisch selbstironischen Barden von der Insel schönreden: Blunt nahbare, sentimentale, einfache Kompositionen sollen direkt an die Gefühle appellieren, und machen die das Leben nicht aus, im Großen und Ganzen?

James Blunt in Hamburg: Der King des Uncoolen

Vor wohl nicht ganz 10.000 Besucherinnen und Besuchern in der komplett bestuhlten Arena legte Blunt mit dem neuen, lebenssaftigen Uptempo-Song „Beside You“ und dem ebenfalls neuen Stück „Saving a Life“ los; Letzteres eine typische Blunt-Nummer in ihrer köstlichsten Darreichungsform. Auch schon wieder beeindruckend, wie euphorisch der Songtexter in seinen Songs Metaphern (hier die des Wassers) verwendet. Volles Nass, sozusagen: Auf der Leinwand plätscherte zu Zeilen wie „I was in the lifeboat, but you wouldn‘t get in/I threw you a lifeline, but you wanted to swim“ ein ganzer Ozean.

Auch in Hamburg konnte sich James Blunt auf seine „same old fucking Band“ verlassen.
Auch in Hamburg konnte sich James Blunt auf seine „same old fucking Band“ verlassen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Er ist der King des Uncoolen, der König des formatierten Radiopops. Die Leute in Hamburg hatte er schnell auf seiner Seite, spätestens mit dem alten „Wisemen“, das Blunt mit seiner routinierten Band früh spielte. Vielleicht ist er für manche in der Arena eine Art „Guilty Pleasure“, ein geheimes Vergnügen. Aber warum Blunt für Konzertgängerinnen und -gänger insgesamt solch ein Ereignis ist, dass sie ihm hochfrequentiert – wie gesagt, vor erst zwei Jahren war er letztmals da – die Treue halten, wurde schnell deutlich.

James Blunt teilt mit Hamburg ein privates Erlebnis

Der Mann, ein ehemaliger Elitesoldat, wie jeder weiß, hat nicht nur die Songs für Arenakonzerte, sondern auch die Bühnenpräsenz. Und anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen ist er nicht maulfaul. Auch in Hamburg adressierte er mehr als nur ein paar Sätze ans Publikum, und dennoch ist die Bühnenshow der „Who We Used To Be“-Tour natürlich eine durchgeplante Angelegenheit. Wer zu Blunt geht, erlebt 90 ebenmäßige Minuten voller Emotion. Es ist ein Baden in einem Sound ohne Widerhaken. Seine „same old fucking Band“ („Wer einmal mit mir gespielt hat, kriegt keinen anderen Job mehr“) versteht sich darauf, den Chef glänzen zu lassen.

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Blunts charakteristisch hohe Stimme leitete ihn in der Barclays Arena durch Hits wie „Goodbye My Lover“ (was für ein Schmachtfetzen, Blunts Vortrag war so engagiert, als würde er es tatsächlich jetzt und hier fühlen, das miserable Gefühl des Alleinseins) und „Bonfire Heart“. Er spielte auch „The Girl That Never Was“, ein Song über die nie geborene Tochter. Da kann man nur sagen, dass das ein sehr schönes Trauerlied ist; ein privates Erlebnis, aus dem James Blunt ein heilendes Bewältigungsstück für die Allgemeinheit machte.

Gut unterwegs: James Blunt in der Barclays Arena.
Gut unterwegs: James Blunt in der Barclays Arena. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Am Ende mischt sich James Blunt unters Publikum

Die Kraft der Trost-Melodie durchzieht auch ein weiteres der neuen Stücke, „Dark Thoughts“ ist ebenfalls den nicht (mehr) auf der Erde Weilenden gewidmet, in diesem Fall seiner guten Freundin Carrie Fisher. Das Publikum lauschte in der Barclays Arena andächtig der aktuellen Version des Künstlers James Blunt, der existenzielle Themen nicht scheut. Fröhliche, zum Mitklatschen animierende Lieder wie „Postcards“ und der ziemlich perfekte Popsong „I Won‘t Die With You“ waren dann auch dazu da, den Abend auszubalancieren.

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Bei „Coz I Love You“ durchquerte Blunt den Innenraum, und dann kam „You‘re Beautiful“. Das Publikum in der Barclays Arena war textsicher. Ganz am Ende gab’s standesgemäß auch „1973“, dann entließ dieser Sänger der wärmenden Empfindung seine Fans in die märzkalte Nacht.