Hamburg. Das Ensemble Modern und die Cocoondance Company interpretieren die herausfordernde Musik der britischen Komponistin Rebecca Saunders.
Es beginnt mit paar hingetupften Streicherklängen. Aus der ersten Reihe erheben sich nach und nach die Tänzerinnen und Tänzer, bewegen sich langsam, tastend, fast in Zeitlupe um den ins Zentrum gerückten Flügel auf der Bühne des Kleinen Saals der Elbphilharmonie herum. Die ersten Stuhlreihen wurden ausgebaut, um ihnen mehr Raum zu bieten. Die Kooperation der Cocoondance Company mit dem Ensemble Modern ist von einer sanften Radikalität. Musik- und Tanzensemble versuchen in ihrer jeweils eigenen Sprache miteinander in einen Dialog zu treten. Das ist nicht so einfach, denn die kammermusikalische Collage „Hauch #2 – Musik für Tanz“ der britischen Komponistin Rebecca Saunders hat es in sich.
Eigentlich ist es eine Aneinanderreihung von sieben Miniaturen. Mal stehen unwirsche Klangfetzen im Zentrum von „Fury für Kontrabass“. Mal dominiert in „blaauw/sinjo für Trompete“ ein virtuos gestopftes Blechinstrument, das der Musiker auf den geöffneten Flügel richtet. In „to an utterance – study für Klavier“ trägt der Pianist Handschuhe, um sich nicht die Finger zu brechen, wenn er rasant über die Tasten fährt. Manchmal lässt er auch einfach krachend seinen Ellenbogen niederfahren. Schließlich versammelt „dust für Schlagzeug“ allerlei Rhythmen, die fast zu einem sakralen Ausdruck finden.
Ensemble Modern und Cocoondance Company: Parcours aus Instrumenten und Körpern in der Elbphilharmonie
Die Musik orientiert sich nicht an einer traditionellen Melodiestimme, sondern basiert auf von der Komponistin exakt vermessenen, von den Musikerinnen und Musikern interpretierten Modulen, die für die Zuhörerschaft in der scheinbaren Abwesenheit jeder Richtung eine Herausforderung darstellen.
Die Musizierenden stehen deshalb auch nicht zusammen, sondern spielen ihre Instrumental-Parts zu zweit oder zu dritt, bevor sie die Bühne erneut verlassen. Aufgebaut ist das Ganze wie ein Parcours. In den Ecken ruhen Pauken, Triangeln hängen von der Decke, eine Rhythmusstation ist mit allerlei Glocken und Blechen versehen.
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Die Musik wird auf diese Weise eher körperlich erfahrbar. Und das mitunter auch schmerzhaft. Da hilft es, dass die in Hosen und zarte Blusen kostümierten fünf Tänzerinnen und Tänzer in der Choreografie von Rafaele Giovanola durchweg sanfte, fließende Bewegungen ausführen. Sie bilden einen Kontrast zur nervösen, oft irritierend fragmentarischen Musik. Mal bewegen sie sich organisch über den Boden. Dann wieder vollführen sie fast soldatische, roboterartige Bewegungen im Stand.
Die Tanzenden nehmen die Schwingungen der Musik auf und lassen sie organisch durch ihre Körper strömen – wie einen Hauch. Und wenn am Ende die Musizierenden mit einem Stab sanft über den Rand mehrerer Gefäße streifen, ist der Abend dann doch noch bei der Zartheit angekommen.