Hamburg. Die Künstlerin Hila Laviv erinnert sich mit der Intervention „Lost Homes“ in den Bauernstuben an ihre Familiengeschichte.
Hila Laviv erzählt, wie sie ihre Großmutter Ende der 2010er-Jahre einmal gefragt habe, ob sie sie nach Hamburg begleiten würde. „Ich muss da nicht hin“, meinte die Großmutter, „ich schließe meine Augen, und ich bin da.“ Womit die Großmutter gut auf den Punkt brachte, wie Erinnerung und Heimat zusammenpassen.
In Lavivs Intervention „Lost Homes (To Forget Beautiful Things)“ im Altonaer Museum geht es darum, wie einem solch eine Heimat genommen wird – und wie man sie in der Erinnerung dennoch immer mitnimmt. Die Großmutter Charlotte Esther „Noni“ Shalmon Warburg wurde 1922 in Hamburg geboren, sie gehörte zum Blankeneser Zweig der Bankiersfamilie Warburg, 1939 floh sie mit ihren Eltern vor den nationalsozialistischen Repressionen zunächst nach Schweden und dann weiter nach Israel. Dass ihre Enkelin sich jetzt im Altonaer Museum mit dem Heimatbegriff auseinandersetzt, ist auch ein Zurückholen dieser Heimat, die der Familie von den Nazis geraubt wurde.
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Zumal das Objekt der Intervention eines ist, das ebenfalls in Verbindung mit ihrer Familie steht: Laviv bespielt die historischen Bauernstuben, die der damalige Museumsdirektor Otto Lehmann Anfang des 20. Jahrhunderts als Beispiel für typische norddeutsche Architektur einrichtete. Diese wurden unter anderem finanziert von Albert und Gerta Warburg aus dem Altonaer Zweig der das Hamburger Kulturleben prägenden Familie. Die Auseinandersetzung mit einer (damals auch nationalistisch verstandenen) Heimatarchitektur ist für die israelische Künstlerin entsprechend auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Heimat, Erinnerung und Verlust überlagern sich in „Lost Homes“ auf ästhetisch interessante Weise.
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Ursprünglich sollte die Intervention schon im November 2023 gezeigt werden. Doch der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober machte eine Einreise für die Künstlerin, die in ihrer Heimat sehr engagiert ist, unmöglich. Zuvor hatte sich Laviv im ehemaligen Sommerhaus der Familie eingemietet, dem Elsa-Brandström-Haus oberhalb des Falkensteiner Ufers, um so den Blick ihrer Großmutter einzunehmen. „Ich gehöre hier eigentlich nicht her, aber vieles erinnert mich hier an meine Großmutter“, beschreibt sie ihr Verhältnis zu Blankenese, „deswegen habe ich das Gefühl des Wiedererkennens.“
Altonaer Museum: Es braucht einige Zeit, um Lavivs Fotoinstallation zu dekodieren
Während ihrer Aufenthalte vor Ort entstanden digitale Fotocollagen, die die Künstlerin auf den Vitrinen in der Ausstellung platziert, in denen die alten Hausmodelle präsentiert werden – die Erinnerung vermischt sich so mit den gegenwärtigen Bildern des Hauses und einem modellhaften Ideal lokaler Architektur, das man heute nicht mehr unkritisch betrachten kann.
Allerdings muss man sich auf diese Vermischung einlassen. Wenn man vor den Modellen steht, erkennt man die Bilder nicht, man sieht sie nur, wenn man ein Stockwerk höher steigt und von oben auf die Installation blickt. Und im Inneren der Bauernstuben braucht es einige Zeit, um Lavivs Fotoinstallation zu dekodieren, die Bilder ihrer Großmutter mit Originalaufnahmen der Stuben mischt, während in einer Klanginstallation literarische Texte von Yaara Shehori die Erinnerung in Worte fassen. Alles greift hier ineinander, die Heimat ist in dieser klugen, mehrperspektivischen Installation eine vielfach verschachtelte Konstruktion, die sich kaum fassen lässt. Und der man sich doch nicht entziehen kann.
„Lost Homes (To Forget Beautiful Things). Eine künstlerische Intervention von Hila Laviv“bis 22.7., Altonaer Museum (S Altona), Museumstraße 23, Mo, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,- (erm.); shmh.de