Hamburg. Der litauische Akkordeon-Star öffnet im Kleinen Saal seine „musikalische Trickkiste“ – von meditativ bis rockig.

Quetschkommode. Heimatluft-Kompressor. Schweineorgel. Oder auch, gerade in Hamburg: Schifferklavier. In solchen Spitznamen mag hier und da ein liebevoller Unterton mitschwingen – aber von großem Respekt oder gar Hochachtung zeugen sie nicht. Die Erkenntnis, dass das Akkordeon ein wandlungsfähiges Instrument ist, das auch im klassischen Repertoire bestehen und begeistern kann, setzt sich erst allmählich durch. Und das hat viel mit Martynas Levickis zu tun. Einem smarten Musiker, der es tatsächlich schafft, als Star auf dem Akkordeon durchzustarten und eine neue Idee vom Instrument zu vermitteln.

Eine dezente Lichtshow taucht Martynas Levickis und das Akkordeon in eine schöne Atmosphäre.
Eine dezente Lichtshow taucht Martynas Levickis und das Akkordeon in eine schöne Atmosphäre. © Sebastian Madej | Sebastian Madej

Beim ausverkauften Soloabend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie inszeniert er es als „magische Trickkiste“, wie er es nennt, indem er dem Auftritt eine beinahe mystische Aura gibt. Durch die dezente Lightshow, die ihn und das Akkordeon zunächst in ein schummriges Gegenlicht taucht. Aber auch durch die Musik. Levickis – dunkler Anzug, Brille, schicke Scheitelfrisur – beginnt sein Programm mit einer atmosphärischen Eigenkomposition, „The Rain“. Das Stück entfacht einen meditativen Sog. Es bettet fließende Arpeggien auf eine Bassmelodie, die eine unendliche Ruhe verströmt. Eine wohlige Musik, zum Reinlegen. Wie warm dieses Bassregister klingt! Der Sound ist exzellent verstärkt und manchmal mit ein bisschen Hall angereichert, ohne dass es künstlich wirkt.

Martynas Levickis brennt ein Feuerwerk an Farben ab

Wie in drei ursprünglich für Klavier geschriebenen Etüden von Philip Glass. Levickis modelliert weich fluktuierende Klangflächen. Durch die sechste Etüde weht eine Andeutung von Weite und Fernweh, da streift uns der Geist des Schifferklaviers. Dagegen zucken in der dritten rockige Akzente auf. Ein Vorgeschmack auf die mitreißenden Rhythmen, die das Stück „Impasse“ von Franck Angelis entfacht. Angelis ist selbst ein Virtuose auf dem Akkordeon, er reizt dessen Stärken effektvoll aus. Kein Wunder, dass Levickis da ein Feuerwerk an Farben abbrennt.

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Die größte Überraschung des Abends ist, wie stilecht selbst die Musik von Bach unter seinen Händen klingt. Levickis interpretiert die fünfte französische Suite, eigentlich für Cembalo gedacht, in einer eigenen Bearbeitung, und dringt dabei zum Wesenskern des Stücks vor. Weil er einerseits unglaublich filigran spielt und jede Linie bis zur allerzartesten Verzierung nachzeichnet. Weil er aber diese hohe Kunst andererseits dadurch erdet, dass er sie, durch das Akkordeon, wieder mit ihren volksmusikantischen Wurzeln verbindet. Er holt die Suite auf den Tanzboden zurück, wo sie herkommt, ohne die Zwischentöne zu vergessen.

Elbphilharmonie: Wunderbar gelingen Arrangements von Volksliedern aus der litauischen Heimat

Martynas Levickis vereint Feinsinn und Farblust, Transparenz und saftige Sounds. Auch in seinen Arrangements von litauischen Volksliedern, mit denen er das Programm beschließt. Er träumt den Melodien seiner Heimat nach, bettet sie in ein Netz von zart gesponnener Melancholie oder belebt sie mit Zitteraal-Grooves. Quetschkommode war gestern. Akkordeon fetzt. stä