Hamburg. Trotz kürzlich überstandener Stimmband-OP steht Country-Größe Rhiannon Giddens mit ihrer Band auf der Bühne – und überzeugt vollkommen.
Vor acht Wochen erst musste sich Rhiannon Giddens an den Stimmbändern operieren lassen, doch ihr kräftiger Gesang wird beim Konzert in der ausverkauften Elbphilharmonie dadurch nicht beeinträchtigt. Nur um eine Pause bittet die vielseitige amerikanische Sängerin nach einer Dreiviertelstunde. Bis dahin hat sie schon manchen Begeisterungssturm entfacht: mit ihrer mitreißenden Musik zwischen Soul, Bluesrock, Cajun und Country; mit ihrer umwerfenden Stimme und mit ihren charmanten Ansagen, in denen sie ihre Songs erklärt.
Umgeben ist sie von einer spielfreudigen fünfköpfigen Band. Der Multiinstrumentalist Dick Powell, mit dem sie schon lange zusammenarbeitet, gehört ebenso dazu wie ihr Lebensgefährte Francesco Turrisi, der Gitarrist Niwel Tsumbu und die Rhythmusgruppe mit Jason Sypher (Bass) und Attis Clopton (Drums).
Elbphilharmonie: Giddens singt von wahren Geschichten
Giddens singt Lieder über die verschiedenen Formen der Liebe, aber sie hat auch ein paar sehr ernste Songs in ihrem Programm. Wie „Another Wasted Life“. Darin geht es um Kalief Browder, einen 15-jährigen Jungen aus der New Yorker Bronx, der 700 Tage unschuldig im Gefängnis saß und dort von Insassen und Wärtern misshandelt wurde. Nach der Entlassung erhängte er sich 2015, weil er nach diesen schlimmen Erfahrungen nicht mehr mit seinem Leben klarkam. In „Love Come Love“ und „Freedom Highway“ geht es um Sklaverei und Unterdrückung, ebenfalls ein wichtiges Thema für die Künstlerin, die einen weißen Vater und eine schwarze Mutter hat.
Angefangen hat die ausgebildete Opernsängerin Giddens vor fast 20 Jahren mit Hillbilly-Musik, einem Vorläufer des Country. Zwei Songs aus dieser Phase hat sie noch im aktuellen Repertoire, stilistisch ist ihre Bandbreite enorm gewachsen. Bluesrock mit packenden Grooves wie beim „Louisiana Man“ gehört genauso dazu wie Gospel und diverse Arten von Roots-Musik, bei denen Banjo, Akkordeon und Geige zum Einsatz kommen.
- Hier treffen sich Leonie Benesch und Peter Tschentscher zum Tee
- Dave Gahan adelt Hamburg: „Besser als Berlin!“
- Vogt und Bayreuther Allerlei? Eine Traumkombination
Die Bandmitglieder bekommen reichlich Raum für Soli, besonders spannend sind die Duelle, die sich Powell und Turrisi an den Keyboards liefern. Nach knapp zwei Stunden endet dieser abwechslungsreiche Abend, das Publikum ist aus dem Häuschen und hätte Rhiannon Giddens noch stundenlang zuhören können. Doch mehr als eine Zugabe kann sie nicht geben. Das lässt ihre Stimme noch nicht zu.