Hamburg. Helge Schmidt fährt für seine Recherche „Wem gehört das Land?“ aufs Dorf. Aktuell zu erleben im Lichthof Theater.
Als vor ein paar Wochen die Landwirte gegen die ihrer Meinung nach unfaire Behandlung durch die Regierung protestierten, spaltete sich die öffentliche Meinung in zwei Lager: Die einen sahen in den Protestierenden zu Recht Wütende, die anderen rechtsextrem durchsetzte Krawalle. Der Hamburger Dokumentartheatermacher Helge Schmidt dagegen ist für seine Recherche „Wem gehört das Land?“ tatsächlich aufs Dorf gefahren, um zu schauen, was die Menschen dort bewegt. Das Stück, das aktuell im Lichthof Theater zu sehen ist, zeigt: So einfach ist es nicht.
Schmidt, der schon in Stücken wie „Die Krebsmafia“ oder dem mit dem Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichneten „Cum-Ex Papers“ komplexe Zusammenhänge in eine satirisch-theatrale Form zu bringen wusste, führt sein Erfolgskonzept weiter: Per Video (Jonas Link) vermitteln Experten Fakten, und drei Schauspieler (Günter Schaupp, Jonas Anders und Ruth Marie Kröger) kommentieren, hinterfragen und ironisieren das Gezeigte.
Playmobilmännchen im Lichthof Theater: die Bayerische Verfassung als Lied
Und zu hinterfragen gibt es hier einiges. Zum Beispiel, dass kleinbäuerliche Strukturen eine Lösung für die Probleme der Gegenwart sind, während so ein Wirtschaften praktisch immer ein Zuschussgeschäft ist. „Mit Kleinbauernschaft, also mit 20 Hektar Getreideanbau, kann man kein Geld verdienen“, heißt es an einer Stelle. Wer in der Landwirtschaft Geld verdient, sind globale Großkonzerne – und die funktionieren nach anderen Kriterien als der Bauer mit seinen 20 Hektar.
Auflösen lässt sich das Problem nicht. Der Abend zeigt, dass es rechtliche Instrumente gibt, die kleinbäuerliche Strukturen schützen sollen: In einer hübsch poetischen Szene etwa singen Schaupp, Anders und Kröger eine Passage aus der Bayerischen Landesverfassung. „Die Nutzung und Verteilung des Bodens wird von Staats wegen überwacht/Missbräuche sind abzustellen.“ Bloß dass sich diese Missbräuche nicht so einfach abstellen lassen.
Playmobilmännchen im Lichthof Theater – die Konzerne, die „Avantgarde des Desasters“
Die Energiewende als Gegenmittel gegen die Klimakatastrophe ist nämlich ebenfalls alternativlos, weswegen immer mehr Ackerflächen für die Produktion erneuerbarer Energien genutzt werden. Einen Acker für Photovoltaik zu nutzen, das können Privatleute aber kaum bewerkstelligen, und hier kommen wieder die Konzerne ins Spiel, Konzerne, die ganz andere Interessen haben als das Gemeinwohl.
Der Knackpunkt ist, dass die Menschheit mit der Umweltzerstörung aktuell einem globalen Problem gegenübersteht. „Und globale Probleme können nur von denen gelöst werden, die global organisiert sind“, meint Anders. Worauf Kröger klarstellt: „Es sind die Gruppen, die seit fast einem Jahrhundert die Avantgarde des Desasters sind.“ Die Konzerne.
Helge Schmidts „Wem gehört das Land?“ ist raffiniert, unterhaltsam, lehrreich
„Wem gehört das Land?“ ist raffiniert, unterhaltsam, lehrreich. Nur einen Ausweg aus dem Dilemma bietet der Abend nicht. Ja, die Konzernmacht ist ein Problem, aber ohne die Konzerne kommt man erst recht nicht weiter. In einer hübschen Puppenspielszene ironisiert Schmidt geschickt die eigene Situation des Großstädters, der aufs Land zieht und dort das ursprüngliche Leben sucht. Playmobilmännchen mit Hipsterbart bevölkern da die aufgegebenen Höfe, und eines ruft begeistert aus: „Ich habe eine Idee! Wir machen politisches Dokumentartheater!“ Das ist lustig. Aber es ist auch hoffnungslos.
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Mit den Bauernprotesten bekommt der Abend eine Aktualität, die dem Theater guttut. Auch wenn Schmidt sich in der Diskussion auf keine Seite schlägt, auch wenn seine Bestandsaufnahme mehr Resignation ist als echtes politisches Statement. „In den Bäumen kann ich keine Bäume mehr sehen“, singt das Schauspielertrio am Ende. Traurig.
Wem gehört das Land? Wieder am 16., 17. Februar, 20.15 Uhr, Publikumsgespräch am 17. Februar, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15b, Tickets unter www.lichthof-theater.de