Hamburg .
Der Hamburger Regisseur Helge Schmidt ist ein Mann für Gegenwartsstoffe: Das Lichthof Theater setzt für seinen Erfolg „Cum-Ex Papers“ (soeben eingeladen zum Heidelberger Stückemarkt 2019) bis in den Juni Zusatzvorstellungen an. Schmidt hat derweil schon wieder einen neuen, brandaktuellen Stoff in Arbeit. Am Donnerstag bringt er ihn im Thalia in der Gaußstraße „Furor“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz zur Aufführung.
Schmidt, Jahrgang 1983, war drei Jahre lang Regieassistent am Thalia, lieferte hier vielversprechende erste Arbeiten wie „Rum & Wodka“ und die „Thalia Soap“ ab. Mit „Furor“ inszeniert Helge Schmidt kein freies Projekt wie „Cum-Ex Papers“ sondern ein richtiges Stück, in dem es darum geht, Figuren zu entwickeln.
Die Figuren, das sind eine Altenpflegerin, ihr Neffe, ein sozial abgehängter Paketbote, der sich radikalisiert hat und der einen Politiker erpresst, der in einen Unfall des Sohnes dieser Pflegerin verwickelt ist. Die Schuld des Politikers bleibt offen. Die eindeutig rechte Gesinnung der Figur des Paketboten hat er in seiner Version abgeschwächt.
„Ich wollte, dass man ihm länger zuhört. Das geht leichter, wenn er nicht klar rechts ist. Er ist ein irrlichternder, leerlaufender, verzweifelter junger Mann, den man auch in der Tradition des ‚Angry young man’ lesen kann.“ Schmidt will ihn nicht zu klar verorten. „Man möchte gern verstehen, warum der so verzweifelt ist. Was treibt den an?“
Der Paketbote fragt sich, was er eigentlich von der Demokratie habe. Kern des Konfliktes ist die soziale Ungleichheit. Es geht um Politiker, die keine Sprache mehr haben für eine bestimmte Bevölkerungsklientel. Und um einen Teil der Bürger, der sich nicht mehr repräsentiert sieht. Starre, festgefahrene Weltbilder erschweren die Lage. „Die Figuren versuchen in einen Dialog zu kommen, es klappt nur nicht“, sagt Schmidt.
Der Politiker, ein Ministerialdirigent, ist im Stück allerdings nicht als abgehobenes Mitglied einer Elite gezeichnet. Er kommt selbst aus dem Arbeitermilieu, hat es erst über den zweiten Bildungsweg nach oben geschafft. Den Kontakt zur Realität hat er trotzdem verloren. „Das ist die Krux“, sagt Schmidt. „Er glaubt, die Probleme der kleinen Leute zu verstehen, hat aber 20 Jahre gepennt.“
Schmidt freut sich, diesmal einen richtig klassischen Theaterabend zu inszenieren. Das Stück ist in der Tradition der englischen Dramatik geschrieben mit schnellen Schnitten, klaren Situationen, in denen drei Personen sich unterhalten. „Ich finde die Abwechslung gut“, sagt der Regisseur. Es mache Spaß, gemeinsam mit den Schauspielern Figuren zu entwickeln und sich mit der Frage zu beschäftigen,was die Protagonisten denken und fühlen.