Hamburg. Neuproduktion von Verdis Aida auf der XXL-Spielfläche in Hamburg berührt und trifft Verdis Ton – mit mehr Oper als Spektakel.

Das Arena Opern Spektakel“: So nennen die Veranstalter ihre Neuproduktion von Verdis Aida, die jetzt in der Barclays Arena Premiere gefeiert hat. Und das ist nicht zu viel versprochen. Denn es gibt eine Menge zu bestaunen auf der XXL-Spielfläche, vor einer Kulisse mit mächtigen Tempelfassaden.

Farbenprächtige Kostüme, die etwa mit Sandalen, Tunika und Goldtönen die Bildsprache des alten Ägypten beschwören. Präzise choreografierte Massenszenen, wie beim Aufmarsch der Priester, die Schalen mit lodernden Flammen durch den Mittelgang tragen. Sogar der Nil schwappt, als Welle aus blauem Stoff, über die Köpfe des Publikums. Und dann rollt auch noch ein Elefant auf die Bühne, riesengroß und beinahe täuschend echt. Mit beweglichen Ohren und Rüsseltrompetenton: Trööööt!

Schon beeindruckend, welchen Aufwand der Produzent Jasper Barendregt betreibt, um das Publikum zu bespaßen. Was er in jahrelanger Vorarbeit mit seiner Frau Elise ausgeheckt und mit einem großen Team realisiert hat, ist ein opulenter Mix aus Musik, Schauspiel, Pantomime, Tanz und Lightshow. So wird die Geschichte aus der Pharaonenzeit um eine heimliche Liebe, Eifersucht und Verrat zum Opern-Blockbuster, präsentiert von rund 250 Mitwirkenden. Beziehungsweise von einigen Tausend. Denn zu Beginn der zweiten Hälfte, als sich Aida bei Vollmond von ihrer Heimat verabschiedet („O patria mia“), sind die Zuschauerinnen und Zuschauer aufgefordert, mit ihren Handylämpchen einen Sternenhimmel zu kreieren. Ein hübscher Effekt. Neben vielen anderen.

Verdis Aida in Hamburg: Wie Liebe, Eifersucht und Verrat zum Opern-Blockbuster wird

Und die stehen im Zentrum. Diese Produktion will ja vor allem unterhalten und ein breites Publikum für die Oper begeistern. Was auch gelingt. Wer sich gern überwältigen lässt, kommt voll auf seine Kosten. Auch durch die Bilder vom gewaltigen Videoscreen, der an der Decke der Arena hängt. Er zeigt Ausschnitte vom Bühnengeschehen in Großaufnahme, aber auch kurze Einspieler, die die Handlung im Stil von Animé-Filmen nachzeichnen. Ja, visuell ist vieles richtig stark gemacht in dieser dreistündigen Inszenierung, die nach der Premiere in Hamburg durch Deutschland und Europa tourt.

Musikalisch muss man dagegen Abstriche in Kauf nehmen – obwohl die Besetzung der Solopartien, des Hanseatischen Symphonischen Orchesters und Chores aus sehr guten Profis zusammengecastet ist. Auch sie und der Dirigent Michael Ellis Ingram ändern jedoch nichts daran, dass das Stück für die Akustik in einem klassischen Opernhaus komponiert wurde. In einer Multifunktionshalle klingt die Musik naturgemäß nicht annähernd so direkt, so differenziert und unverfälscht, wie es etwa in der Staatsoper, in der Elbphilharmonie oder auf einer der kleineren Hamburger Bühnen der Fall wäre, in denen man regelmäßig Opernaufführungen erleben kann. Meist übrigens zu sehr viel günstigeren Eintrittspreisen, als sie beim Besuch der Arena-Aida aufgerufen werden.

Opern-Blockbuster in der Barclays Arena: Respekt für alle Beteiligten

Um diesen Raum zu beschallen, für die 7000 Besucherinnen und Besucher der Premiere, braucht es eine ausgeklügelte elektronische Verstärkung. Eine heikle Aufgabe. Die Balance klappt deutlich besser, nachdem das Orchester – unter den Treppen zum Tempel versteckt – in der zweiten Hälfte raufgepegelt wurde. Pech, dass ausgerechnet der Triumphmarsch, Verdis bekanntester Hit, ziemlich ruckelt, weil die beiden Trompetengruppen in den Unterrängen geschätzte 50 Meter weit entfernt stehen und dem Rest des Orchesters zeitweise einen Millisekundenschritt voraus sind.

Doch abgesehen von solchen kleineren Problemen, auch beim Timing der deutschen Untertitel, funktioniert die Koordination über weite Strecken zuverlässig. Diese Abläufe eines Riesenapparats muss man erst mal so hinkriegen. Respekt für alle Beteiligten und eine sehr disziplinierte Ensembleleistung, aus der die Darstellerinnen und Darsteller der drei Hauptfiguren herausragen. Martin Shalita verleiht dem Heerführer Radamès den passenden tenoralen Glanz; die Sopranistin Nina Clausen vereint in der Titelpartie Strahlkraft und emotionale Wärme. Wie sie die Verletzlichkeit der Aida offenbart, die zwischen den verbotenen Gefühlen für Radamès und der Liebe zu ihrem Vater zerrissen wird, gehört zu den eindringlichsten Momenten des Abends.

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Ebenso wie die letzte Szene von Aidas Konkurrentin Amneris, die sich für ihre Eifersucht verflucht, weil sie dem geliebten Radamès den Tod bringt. Mezzosopranistin Sophia Maeno – eine majestätische Erscheinung mit Kleopatra-Aura – singt diese Szene im Liegen, voller Schmerz und Verzweiflung. Da berührt der Abend und trifft Verdis Ton genau. Weil er hier mehr Oper als Spektakel ist.