Hamburg. Der mitreißende finnische Dirigent Klaus Mäkelä knetet Streicherklänge – und bringt mit dem Oslo Philharmonic Schwung in den Raum.
Dirigieren ist eine sehr physische Sache. Das zu vermitteln, mit einer großen Lust an der Körperlichkeit, gehört zu den besonderen Stärken von Klaus Mäkelä. Der smarte Finne, Ende zwanzig, versprüht auf dem Podium eine mitreißende Energie, die ins Publikum abstrahlt. Auch am zweiten Abend seines Elbphilharmonie-Gastspiels mit dem Oslo Philharmonic, bei einem spannenden Programm, das einen Klassiker des 20. Jahrhunderts mit Werken der Romantik rahmt.
In deren farbsatten Welt fühlt sich Mäkelä wohl. Er knetet die schweren Streicherklänge der „Scheherazade“ von Rimski-Korsakow mit der linken Hand, zieht die Melodiebögen mit dem ganzen Körper in die Breite und schleudert manche Akzente mit beiden Armen ins Orchester. Die Mitglieder des Oslo Philharmonic lassen sich gerne von den Gesten ihres jungen Chefs mitnehmen. Sie verwachsen zu einem Klangkörper, der atmet und schwelgt, der vorandrängt und auf einen Höhepunkt zusteuert, der aber auch immer mal wieder innehält.
Elbphilharmonie: Klaus Mäkelä mit Gespür für die Ruhepunkte der Musik
Mäkelä weiß genau, dass er nicht übersteuern darf, seine Impulse sind schlau dosiert. Wenn der Apparat läuft, nimmt er sich oft taktelang zurück.
Man solle „die Kerze nicht zu früh verbrennen“, sagt der Dirigent, der gleich zu Beginn des Konzerts sein Gespür für die Ruhepunkte der Musik beweist: Bevor Tschaikowskys sinfonische Fantasie „Der Sturm“ ihre Urgewalt entfacht, mit donnerndem Schlagwerk, liegt das in Tönen gemalte Meer zunächst noch ganz still. Die Wellen spiegeln sich im Wiegen der Streicher, sie glitzern im imaginären Sonnenlicht. Zauberhaft, diese Piano-Nuancen.
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Noch weiter als hier nimmt Mäkelä sich und das Orchester im 1970 vollendeten Cellokonzert von Henri Dutilleux zurück. Ein Stück, dessen flirrende, geheimnisvoll unwirkliche Sounds von Baudelaires Gedichtsammlung „Die Blumen des Bösen“ inspiriert sind. Der Cellist Truls Mørk spielt den fingerbrecherischen Solopart phänomenal sicher und geschmeidig. Selbst in extremen Daumenlagen, ganz am Ende des Griffbretts, bleibt sein Ton warm und rund. Wunderschöne Melodien singt Mørk auf seinem Instrument, eng verwoben mit den Linien des Orchesters. Das Oslo Philharmonic nimmt die Fäden und Motive auf, reagiert sensibel, geführt vom präzisen Schlag des Chefdirigenten. So geht musikalisches Teamwork.
Aber es ist noch mehr als das. Stichwort: gute Vibes. In der „Scheherazade“, dem Schlussstück, deutet Rimski-Korsakow manchmal tänzerische Rhythmen an. Und da bringt Mäkelä einen Schwung in den Raum, der die Musikerinnen und Musiker spontan lächeln lässt. Plötzlich fühlt sich der Saal noch ein paar Grad wärmer und die Welt ein bisschen leichter an.