Hamburg. Auch eines der weltbesten Sinfonieorchester kann mal Probleme bekommen – selbst mit einem Star wie Myung-whun Chung am Pult.
Sie sind schon eine Weile verweist, ohne Chefdirigent, eines der weltbesten Sinfonieorchester mit einer fast 140-jährigen Tradition: das Koninklijk Concertgebouworkest aus den Niederlanden, hauseigenes Orchester des akustisch einhellig gepriesenen Konzertsaals Concertgebouw in Amsterdam.
Der letzte Chefdirigent Daniele Gatti nahm 2018 seinen Hut, der nächste beginnt erst 2027: Klaus Mäkelä. Renommierte Pultstars übernehmen projektweise den Taktstock, darunter er jetzt der Südkoreaner Myung-whun Chung für einige Aufführungen mit Bruckners Siebter Sinfonie und Mozarts Klavierkonzert G-Dur KV 453 mit dem Amerikaner Emanuel Ax als Solisten. Jetzt war Station in der Elbphilharmonie.
Concertgebouw-Orchester: Anlaufschwierigkeiten bei Bruckners Siebter
Deren Akustik wird von vielen als problematisch empfunden und kann kaum mit dem Concertgebouw mithalten. Aber mittlerweile kommen Dirigenten und Orchester damit meist gut zurecht. Bei Myung-whun Chung war es allerdings wechselhaft. Mozarts Klavierkonzert kam im relativ breiten Orchesterklang daher. Haben sich heute viele moderne Sinfonieorchester ein historisch informiertes sprechendes Spiel angeeignet, so hörte man das bei den Amsterdamern nur phasenweise, sehr schön etwa bei den solistischen Holzbläsern im langsamen Andante-Satz.
Die beiden schnellen Sätze hatten einen erstaunlich üppigen Streicher-Sound. Der Effekt entstand durch ziemlich rasche Tempi, das ging auf Kosten der Anmut und Leichtigkeit, die einfach zu einem Mozart-Klavierkonzert immer dazugehören sollten. So stand eher eine fetzige Routine im Orchester im Vordergrund.
Pianist Emanuel Ax: Viel Charme hatte ein Chopin-Nocturne als Zugabe
Souverän allerdings Solist Emanuel Ax. Der Amerikaner mit polnisch-ukrainischen Wurzeln überzeugte durch ein wunderbar gelassenes Spiel, trotz der flotten Tempi. Mit klarer Artikulation, mit farblicher Nuancierung der musikalischen Schichten kristallisierte er die Strukturen heraus, sein Spiel hatte Richtung und Ziel. Viel Charme hatte ein Chopin-Nocturne als Zugabe.
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Bei Bruckners Siebter war etwas Anlaufzeit nötig, um in einen Flow zu kommen. Klar das Stück dauert immerhin 65 Minuten, und es ist nicht leicht, diesen „sinfonische Riesenschlange“ – eine abfällige Äußerung von Johannes Brahms – mit Spannung zu gestalten. Erst im feierlichen zweiten Adagio-Satz war der Bann gebrochen, beim dynamischen Höhepunkt am Ende, der mit einem mächtigen Beckenschlag gekrönt wird. Hier war wirklich die größte dynamische Intensität erreicht.
Am Anfang aber hatte Chung der charakteristischen Cello-Melodie gleich so viel „Power“ gegeben, dass schon viel dynamisches Pulver verschossen war. Und die vielen „Bausteine“, die imposanten Blechbläserblöcke etwa, wirkten lange wenig zielgerichtet und recht schroff nebeneinandergesetzt. Das pulsierend und dramatisch spannend gebotene Scherzo war eine Steigerung, und das Finale wirkte weit zwingender zugespitzt als der Anfang der Sinfonie.