Die ewige Nacht im ewigen Eis Alaskas, tote Wissenschaftler, übernatürliche Ereignisse und kaputte Frauen: Dunkler wird‘s nimmer.

Der Krimi-Achtteiler „True Detective“ war 2014 auf eine Weise ein Serienhit, wie er nicht mehr so oft vorkommt. Das Goldene Zeitalter seriellen Erzählens ist schon lange vorbei. Wahrscheinlich war es sogar „True Detective“, das sein Ende markierte. Warum war das so gut damals? Natürlich wegen der Superstarpower in den Hauptrollen und dem, was Woody Harrelson und Matthew McConaughey aus diesen herausholten an Ermittlerduo-Intensität. Ihre Mördersuche in den Sümpfen Louisianas war atmosphärisch irre dicht und hatte einen thematischen Überbau: Wo ist das Licht in der Welt bei all dem Dunkel?

Gute Nachricht für alle Serienfans: Die jetzt auf Sky/Wow anlaufende vierte Staffel bedeutet die Rückkehr zu alter Klasse. Die letzten beiden Staffeln der Anthologieserie mit Hollwood-Größen wie Colin Farrell, Vince Vaughn und Mahershala Ali ließen die alte Magie doch recht deutlich vermissen. Jetzt feiert „True Detective“ mit sechs Folgen und der zweifachen Oscar-Gewinnerin Jodie Foster ein glänzendes Comeback.

Es ist ganz einfach: Fosters Zusammenspiel mit Kali Reis, ihrer Co-Ermittlerin in diesem in Alaska angesiedelten Kriminalfall, ist wie schon beim legendären „True Detective“-Auftakt mit McConaughey und Harrelson die halbe Miete für eine fesselnde TV-Erzählung. Wobei Foster selbst eine Art Wiedergeburt feiert. Zuletzt hat die Hollywood-Veteranin („Taxi Driver“ (1976), „Das Schweigen der Lämmer“ (1991)) meist Regie geführt und selten vor der Kamera agiert. In einer TV-Produktion war sie letztmals 1975 zu sehen.

Neue „True Detective“-Staffel mit Jodie Foster: Die Leichen sind gefroren im ewigen Eis

Fosters Kriminalbeamtin Liz Denvers ist ein von ihr grandios gespielter rauer, rüder, tatsächlich seelisch demolierter Ultra-Hardboiled-Cop, dessen notorisches „Verdammt noch mal“ (im Original noch schöner: „For fuck‘s sake!“) man nicht oft genug hören kann. Im fiktiven Ennis, Alaska (gedreht wurde nicht im US-Bundesstaat, sondern in Island, angebliches Budget: 60 Millionen Dollar) werden im ewigen Eis die zusammengefrorenen Leichen der kurz vorher verschollenen Forscher einer arktischen Forschungsstation gefunden.

Da ist die Atmosphäre, sind Ton und Bildsprache von „Night Country“ schon gesetzt, wie die Staffel im Untertitel heißt. Die schreckverzerrten Gesichter der Männer, es ist alles eine Mischung aus „Der Schrei“ und dem Todeskampf von Laokoon und seinen Söhnen in der berühmten griechischen Skulptur, starren in eine Nacht, die nicht vergeht.

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Es ist immer dunkel, in jeder Szene; so ist das in den Polarnächten, in denen das Tageslicht fast gar keine Chance hat. Denvers und ihre Ex-Partnerin Evangeline Navarro (Boxerin Kali Reis in ihrer ersten großen Rolle) raufen sich widerwillig noch einmal zusammen, weil sie spüren, dass der Fall mit dem ungelösten Mord an einer Aktivistin zusammenhängen könnte. Dieser alte Fall ist, wenn man so will, ein „Cold Case“ im Sinne des Wortes – und nur eine der Fährten, die Showrunner und Drehbuchautorin Issa López legt. Der etatmäßige „True Detective“-Autor Nic Pizzolatto ist diesmal lediglich als Produzent dabei. Gute Entscheidung.

„True Detective: Night Country“: Story und Ambiente sind klirrend kalt

Billie Eilish als Soundtrack, blaustichige Szenerie: Story und Ambiente der Serie sind klirrend kalt. Die Schwingungen zwischen Denvers und Navarro verändern sich aber langsam zum Positiven, schließlich haben beide im Privaten ihr jeweiliges Päckchen zu tragen. Denvers mit ihrer pubertierenden Stieftochter (und, wie sich spät herausstellt, noch viel mehr Herzleid), die indigene Navarro mit ihrer suizidalen Schwester. Der Ort Ennis ist von Schmerz und Verlust geprägt. Wer das Leben nicht mehr aushält, geht ins Eis, um zu erfrieren. Es gibt viele Totgeburten. Schuld daran ist nach Meinung der Einheimischen, die zu einem guten Teil aus Ureinwohnern bestehen, die Minengesellschaft, die das Grundwasser verdreckt.

Weiblicher als in der neuen Staffel war „True Detective“ nie.
Weiblicher als in der neuen Staffel war „True Detective“ nie. © © 2024 Home Box Office, Inc. All rights reserved. | © 2024 Home Box Office, Inc. All rights reserved.

Der Todesfall der Wissenschaftler bleibt über die gesamte Dauer der Serie rätselhaft. Das liegt an den klug eingesetzten erzählerischen Tricks – dem Auftauchen des Symbols einer Art umgekehrten Sechs etwa auf der Stirn der toten Forscher – und den gut dosierten Horrorelementen. Das unheilvoll geraunte „Sie ist da draußen“ , dessen Bedeutung sich erst allmählich erschließt, ist nur ein Faktor des Übernatürlichen. Navarro wird nicht als Einzige, aber besonders oft von Erscheinungen heimgesucht. In ihrem Fall sind sie echte Schocker.

„True Detective“: Remininszenz an den Nihilismus der ersten Staffel

Dabei ist die Spiritualität der Inuit ein Gegenmittel zum allgegenwärtigen Horror, der speziell bei Navarro und ihrer tragischen Schwester ein Horror der Leere ist. Einsam sind hier eigentlich alle. „Jeder ist allein“, sagt Navarro einmal. Irgendwann gibt es einen Rust-Cohle-Gedächtnis-Moment, eine Reminiszenz an den von McConaughey verkörperten nihilistischen Kommissar der ersten Staffel, als Navarro wie Cohle auf einer Autofahrt die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz adressiert. Warum nicht einfach gehen, für immer?

Das düstere Krimi-Drama ist bis in die Nebenrollen exzellent besetzt und lebt von der Problemdynamik der Auftretenden. Peter Prior (Finn Bennett) ist als junger, ehrgeiziger Cop, der der toughen Liz Denvers treu ergeben ist und zu jeder Tages- und Nachtzeit deren Aufträge erfüllt, ein heimliches Zentrum der Figurenkonstellation. In einer der heftigsten Szenen dieser Staffel wird er fundamental vor die Frage gestellt, ob er zu Liz oder zu seinem zwielichtigen Vater Hank (John Hawkes) hält, der sich als deklassierter Ermittler der Chefin Liz lediglich mit lautem Groll unterordnet.

„True Detective“: Plötzlich steht ein Eisbär auf der Straße

„True Detective: Night Country“ ist ein Krimi, der von den Figuren und der von der allerersten Szene an etablierten Froststimmung lebt. Es liegt eine Bedrohung in der Luft der nachtschwarzen Stadt, in der es einem passieren kann, dass urplötzlich ein Eisbär vor einem auf der Straße steht. Im Finale quälen sich, während draußen ein arktischer Sturm tobt, Navarro und Denvers durch eine Eishöhle, die dann das Geheimnis des bizarren, vom Glauben an die gerechte Sache, von Kampf und Tod durchdrungenen Falls preisgibt.

Wichtiger als die Auflösung selbst (wie plausibel die am Ende halt immer auch ist) ist die immerwährende „True Detective“-Message: Es gibt Zärtlichkeit in allumfassender Kälte. Diese Cop-Serie kann nur funktionieren, wenn zwischen den Ermittlern eine zunächst unvermutete Nähe entsteht. Hier ist es über Denvers und Navarro hinaus ein Band weiblicher Solidarität, das am Ende für Gerechtigkeit sorgt.

„True Detective: Night Country“ ist ab 15. Januar wöchentlich auf Sky/Wow abrufbar