Hamburg. Philharmoniker-Konzert mit Dennis Russell Davies und Pianistin Elisabeth Leonskaja in der Elbphilharmonie hatte Tiefen und Höhen.
- Dennis Russell Davies überzeugte erst in der zweiten Hälfte seines Konzertes in der Elbphilharmonie
- Wagners „Faust-Ouvertüre“ wurde vor der Pause lieblos und mit wenig Spannung präsentiert
- Dafür konnte er mit Robert Schumann Klavierkonzert vollends überzeugen
Vielleicht hätte jemand Dennis Russell Davies informieren sollen, dass die Sonntagstermine der Philharmoniker-Konzerte nicht nur lauwarme Durchlaufproben vor Publikum für die Montagabende sind, sondern gern schon die volle musikalische Aufmerksamkeit bekommen dürfen.
Von gesteigertem Interesse am Geschehen war im Großen Saal der Elbphilharmonie aber praktisch nichts zu hören. Im Gegenteil: Der US-Amerikaner Davies, vor allem als Experte für Avantgarde bekannt, lavierte sich und sein Hamburger Gast-Orchester durch zwei romantische Spezialitäten, mit denen man um Himmels willen keine halben Sachen machen darf.
Konzert in der Elbphilharmonie: Lieblos und mit wenig Spannung – Wagner zum Abgewöhnen
Wagners „Faust-Ouvertüre“ – ein Frühwerk tatsächlich ganz ohne stundenlangen Gesang – ist, bei aller Liebe, ein eindeutiger Beleg dafür, dass an ihm wohl kein bedeutender Sinfoniker verloren gegangen ist. In diesem Rumpfstück, Rest eines abgebrochenen Sinfonie-Anlaufs, holländert es noch dunkelneblig vor sich hin, kommt aber nie recht zum dramatischen Punkt.
In Davies war an diesem Nachmittag kein Wagner-Dirigent zu entdecken, der diese Faust dennoch ballte und mit durchschlagskräftiger Energie auflud. Die reizvollen chromatischen Ideen ließ Davies einfach so durchlaufen, als wären sie zufällig in der Partitur gelandet, die Motivansätze waberten lieblos und spannungsarm vorbei. Wagner zum Abgewöhnen.
Elbphilharmonie: Solistin und das Tutti spielen ziemlich konsequent aneinander vorbei
Anders, aber wenig besser, ging es in Robert Schumanns Klavierkonzert weiter. Mit Elisabeth Leonskaja war eine noble Virtuosin alter Schule zu Gast. Doch von Anfang an spielten die Solistin und das Tutti ziemlich konsequent aneinander vorbei.
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Leonskaja hatte genug mit der Strahlkraft und der Poesie ihres Parts zu tun, Davies ließ unterdessen seinen Anteil des a-Moll-Konzerts am ausgestreckten Arm verhungern. Im langsamen Mittelsatz legte sich das Orchester im Sitzen deswegen wieder hin, im Finale blieb das „vivace“ des Allegro ein kaum umgesetzter Vorschlag.
Konzert Elbphilharmonie: Nach der Pause war alles wie ausgewechselt
Bis hierhin also kein Konzert fürs Langzeitgedächtnis. Nach der Pause aber war alles wie ausgewechselt, aus einschläfernd wurde wachrüttelnd. Davies präsentierte die 2. Sinfonie des 2019 verstorbenen Bayern Heinz Winbeck: Nischengröße, fünf Sinfonien, und Davies war der Erste (und ist wohl auch noch der Einzige), der diese grandios verschrobene, aus der Gegenwart gefallene Tonsprache in helleres Rampenlicht gebracht hatte. Die Philharmoniker wollten, plötzlich – und wie sie wollten.
Denn Winbecks Musik bot enorm viel: Aus dem Flirren des Kopfsatzes drängten sich immer wieder Zitatverweise mit Beethoven-Gestus, durchschimmernd wie freigelegte Farbschichten eines oberflächlich abstrakten Gemäldes, wieder übertönt von großflächig Amorphem. Das Scherzo spielte drastisch auf einen von Bruckners Lieblingsrhythmen an, bevor der „Choral“-Satz so massiv melancholisch und weltverloren mahlerte, wie es kaum ein Original-Mahler-Adagio hinbekommt, bevor das dicke Ende mit massivem Schlagwerk-Gewitter losbrach. Und klar war, wohin Davies‘ Probenzeit und sein Herzblut gegangen sind.
Das Konzert wird am Montag, 15. Januar, 20 Uhr, wiederholt. Evtl. Restkarten.