Hamburg. Der Schriftsteller erklärt, warum Frauen seine düsteren Gesichten so gern lesen – und was die mit ihrem Leben zu tun haben.

Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller, bei den Psychothrillern sogar mit Abstand die Nummer eins – dabei wurde Sebastian Fitzeks erstes Buch von vielen Verlagen abgelehnt. Heute kommen allein zu seinen Lesungen im Schnitt 4000 (!) Zuschauer…

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Autor über Geschichten, die rausmüssen, über seine Art zu schreiben und versucht die Frage zu beantworten, warum vor allem Frauen seine Bücher lesen. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider


Das sagt Sebastian Fitzek über…

… die Einsamkeit des Schriftstellers, die er nicht erträgt: „Ich war es schon als Journalist gewöhnt, in einer Redaktion zu sein. Und jetzt als Schriftsteller arbeite ich auch in einer Bürogemeinschaft, um zwischen den Kapiteln in die Kaffeeküche zu gehen und mit Leuten reden zu können. Menschen inspirieren mich und ich könnte nicht schreiben, wenn ich irgendwo allein in einem Zimmer sitzen würde.“

… sein erstes Buch, das von vielen Top-Verlagen abgelehnt wurde: „Ich habe mein erstes Buch ‚Die Therapie‘ 13 Verlagen zugeschickt. 10 haben es abgelehnt und drei haben sich bis heute nicht gemeldet. Da zeigt sich schon mal, wie viele Anfängerfehler ich gemacht habe, und alle, die sich mit dem Gedanken tragen, ein Buch zu veröffentlichen, sollten diese besser nicht machen. Ich hab mich so verhalten wie ein Mann, der glaubt, ganz gut Fußball spielen zu können, und der dann beim FC Bayern München fragt, ob er nicht aufgestellt werden könnte. Ich dachte, dass allein die Tatsache, dass ich ein Buch über mehrere Hundert Seiten geschrieben hatte, es wert sein müsste, veröffentlicht zu werden. Und so habe ich das Manuskript an die A-Verlage, an die Bayern Münchens der Buchbranche geschickt, die logischerweise abgelehnt haben. Dann habe ich im Internet einen Literaturagenten gesucht und bin auf Roman Hocke gestoßen, der unter anderem „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende lektoriert hat. Doch auch er hat mir erst einmal keinen Vertrag gegeben, dafür aber wichtige Fragen gestellt. Zum Beispiel die, warum ich die Handlung meines Buches in die USA verlegt hätte. Ich habe geantwortet, dass viele Thriller, die ich kenne, dort spielen. Er riet mir, die Story da stattfinden zu lassen, wo ich mich auskenne. Das hat dazu geführt, dass ich die Geschichte nach Deutschland geholt und das Buch umgeschrieben habe. Am Ende sieben Mal. Dann hat Droemer Knaur ‚Die Therapie‘ in einer Kleinstauflage veröffentlicht.“

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… die erste Auflage: „Als ich 2004 meinen ersten Buchvertrag bekam und hörte, dass von ‚Die Therapie‘ in der ersten Auflage nur 2500 Stück gedruckt werden sollen, dachte ich: Das kann nicht funktionieren. Dieses Buch kann allein statisch gesehen kein Bestseller werden, weil nicht mal ein Exemplar davon in jeder Buchhandlung Deutschlands liegen würde. Deshalb habe ich mit einer Freundin eine kleine Firma gegründet, die mich selbst managen sollte. Das ist die Firma, in der ich bis heute ein Büro habe, um zu schreiben.“

… die Frage, wie er schreibt: „Jeder Schriftsteller und jede Schriftstellerin schreibt anders. Ich finde diese Frage immer wieder interessant, und stelle sie selbst auch meinen Kolleginnen und Kollegen. Grob kann man unterscheiden zwischen Autoren, die zunächst ein umfangreiches Exposé anfertigen und jenen, die einfach loslegen. Beides ist für mich nicht möglich. Ich habe einen Mittelweg gefunden: Zunächst mache ich einen Entwurf mit etwa 30 Seiten und den wesentlichen Figuren und Handlungssträngen, den ich nach und nach weiter ausarbeite. Wohl wissend, dass die Figuren spätestens nach 80 Seiten ihr Eigenleben entwickeln, sodass ich irgendwann zum Beobachter werde und das Exposé gar nicht mehr zur Hand nehme.“

… Bestseller: „Es gibt keinen Bestseller-Code. Gut ist es schon mal, wenn der Verlag das Buch als Spitzentitel präsentiert. Das heißt, der Verlag hat große Hoffnung darauf, dass es sich verkaufen wird und gibt Geld für Marketing aus. Dann kommt es auf die Menschen an, die im Vertrieb arbeiten, denn sie müssen die Buchhändler im besten Falle davon überzeugen, dass sie nicht nur zwei Bücher für ihr Geschäft nehmen, sondern vielleicht drei oder vier. Diese Arbeit ist sehr wichtig. Die Buchhändlerinnen und Buchhändler sollten möglichst von dem Buch begeistert sein, denn sie empfehlen es an die Leserinnen und Leser. Und die sind natürlich am allerwichtigsten, denn sie kaufen das Buch. Was das angeht, hatte ich mit meinem ersten Roman großes Glück, denn der hat in den ersten drei Monaten vor allem von Mund-zu-Mund-Propaganda profitiert. In dieser Zeit gab es weder Lesungen noch Promotion oder Medienartikel. Insgesamt kann man sagen, dass ein Beststeller auch von dem Glück abhängt, zur richtigen Zeit von den richtigen Menschen am richtigen Ort beachtet zu werden.“

… die erste Lesung: „Als ich zum ersten Mal zu einer Lesung eingeladen wurde, habe ich mir gedacht: Die Leute zahlen doch nicht Geld dafür, dass du dahin kommst und ihnen aus deinem Buch vorliest. Deshalb habe ich zu meinem ersten Termin einen Beamer in die Buchhandlung geschleppt und darüber geredet, wie ich auf die Idee zu ‚Die Therapie‘ gekommen bin, welche Rolle verhaltensauffällige Freunde spielen, und habe zudem das Publikum mit einbezogen. Das hat sowohl den Zuschauerinnen und Zuschauern wie auch mir viel Spaß gemacht. Ich habe das dann in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut, was auch damit zusammenhängt, dass ich gern Geschichten erzähle – warum soll ich das nicht auch live tun? Eine Stunde quatsche ich, eine halbe Stunde lese ich maximal.“

… den Überraschungseffekt: „Es wird von Buch zu Buch schwieriger, die Leser zu überraschen. Das ist so wie mit einem Urlaubsort: Als ich zum ersten Mal in das italienische Ravello gefahren bin, war ich hin und weg und habe allen davon erzählt. Beim zweiten Mal war es dort auch schön, aber der Aha-Effekt war weg und irgendwann stellt sich dann eine Gewöhnung ein. So ähnlich ist es auch mit Büchern, dessen muss man sich bewusst sein. Mein Ziel kann es deshalb nicht sein, jedes Mal die Welt der Leserinnen und Leser, die mich schon kennen, auf den Kopf zu stellen.“

… sein Tipp an alle, die Bücher schreiben: „Nicht an das denken, was andere wollen, sondern das Buch schreiben, was man selbst gern lesen würde. Erst wenn das Buch fertig ist, sollte man sich überlegen, wie man es bewirbt. Ich habe nie strategisch gedacht. Man muss die Geschichte schreiben, die man in sich trägt, die rauswill, völlig egal, ob sie sich verkauft.“

Entscheider treffen Haider

… „Elternabend“, ein Buch, das kein Thriller ist: „Ich habe das Buch streckenweise in einem Familienhotel geschrieben, tagsüber in der Lobby. Dabei hab ich vor mich hin gekichert und gedacht: Wenn dich jetzt einer erkennt, glaubt er, dass der irre Fitzek in einem Familienhotel sitzt, seine Kinder irgendwo abgegeben hat und dort allen Ernstes einen Psychothriller schreibt.“

… Frauen, die viel öfter Krimis lesen als Männer: „Die Mehrheit meiner Leser sind Frauen, was vor allem daran liegt, dass Frauen sowieso mehr lesen als Männer. Und das hängt wahrscheinlich mit der Fantasie der Frauen zusammen, die sich lieber ihr eigenes Bild machen. Deshalb sagen viele meiner Leserinnen, dass sie die Filme zu meinen Büchern nicht ansehen können, weil sie darin fremde Bilder vorgesetzt bekommen und weil sie nicht weiterblättern können. Es kommt hinzu, dass Frauen leider statistisch gesehen sehr viel häufiger Opfer von Gewaltverbrechen werden als Männer und deshalb ein höheres Interesse daran haben, sich damit auseinanderzusetzen, über Motive und Ursachen genauso etwas zu erfahren wie über Zusammenhänge.“

… Thriller und True Crime: „Ein guter Thriller beschäftigt sich zu maximal zehn Prozent mit den Schicksalsschlägen, im Rest geht es um das Leben und die Werte, die verteidigt werden, um den Kampf des Helden gegen die Gefahr. Mit True Crime habe ich etwas Probleme, ich höre mir zum Beispiel solche Podcasts nicht so gern an, weil ich weiß, dass das Leid real ist. Mir wird manchmal vorgeworfen, dass in meinen Büchern Verbrechen passieren, die es nie gab, und da kann ich nur sagen: zum Glück!“