Hamburg. Die bulgarische Sopranistin trat im Rahmen der „The Art of“-Reihe in der Staatsoper auf. Teilweise eine verschenkte Chance.
Sie hat das magische dunkle Schimmern in der Stimme. Vielleicht kann sie auch deshalb ihren Sopran in der Höhe ohne Verzerrungen leuchten und strömen lassen. Sie hat Kraft, und es kostet sie anscheinend nicht das geringste bisschen Mühe, sich auch von einem üppig besetzten Orchester abzusetzen und hörbar zu sein.
Und das obwohl Dirigent Leonardo Sini sich manchmal vermutlich allzu sehr von Sonya Yonchevas betörendem Sopran hinreißen und den Klang eine Spur zu stark aufblühen lässt. Das sind Momente in der Staatsoper Hamburg, in denen man das Orchester gern leiser hätte.
Sonya Yoncheva in der Staatsoper Hamburg: Große Gesangskunst, leider eindimensional
The Art of (Die Kunst von …): Zu diesen Gala-Recitals lädt die Staatsoper die Super-Gesangsstars unserer Zeit ein – Ende April 2024 kommt etwa der Countertenor Jakúb Józef Orliński. In vergangenen Zeiten kamen Legenden wie Luciano Pavarotti, José Carreras, Grace Bumbry oder Montserrat Caballé.
Oft sind das reine Klavier-Recitals, wobei die Pianistinnen und Pianisten auch ganze Orchester-Partien auf die Tasten bannen müssen. Bei Sonya Yoncheva ist aber auch das Philharmonische Staatsorchester dabei.
Recht so, denn Yoncheva ist wahrscheinlich wirklich eine der größten Sängerinnen unserer Zeit. Sie absolviert ihren Hamburger Auftritt mit einem reinen Puccini-Programm und einer technischen Makellosigkeit, die andere ihr erst mal nachmachen müssen.
Sonya Yoncheva: Vor und nach der Pause werden echte Opernhits serviert
Der Abend dauert zwar gute zwei Stunden inklusive Pause, aber so viel singt Sonya Yoncheva eigentlich gar nicht: zwei Arien, ein Duett im ersten Teil, eine Arie, zwei Duette im zweiten Teil. Zwischendurch bietet Yonchevas Hamburger Duettpartner, der ebenfalls auf den Bühnen der Welt gefeierte italienische Tenor Riccardo Massi, einige Arien. Und in jedem Teil gibt es zwei Instrumentalwerke aus Puccini-Opern.
Zwar werden vor und nach der Pause zwei bekannte Hits serviert, zuerst „Mi chiamano Mimì“ (Man nennt mich Mimì) aus „La Bohème“ – Riccardo Massi zelebriert „Che gelida manina (Wie eiskalt ist dies Händchen) – und dann „Un bel dì, vedremo“ (Eines schönen Tages werden wir sehen) aus „Madama Butterfly“, aber sonst auch Unbekanntes von Puccini, aus der frühen Oper „Le Villi“. Und das Duett aus „Manon Lescaut“ gehört ebenfalls eher zu den Raritäten.
Die sparsame Solopräsenz von Sonya Yoncheva ist aber dann mit den Hit-Zugaben verziehen: „Vissi d’arte“ (Ich lebte für die Kunst) aus „Tosca“, und, was das Parkettpublikum zu Ovationen hinreißt – die Ränge der Hamburgischen Staatsoper sind nicht besetzt –: „O mio babbino caro“ aus „Gianni Schicchi“. Und Riccardo Massi darf mit „Nessun dorma“ aus „Turandot“ als Zugabe seinen kräftigen Tenor hören lassen.
Sonya Yoncheva: Das Lächeln scheint einstudiert
Eine Stimme so souverän und rein, mit bruchlosen Registerwechseln führen zu können, so mühelos und wohlklingend auch in dramatische Regionen gehen zu können und andererseits auch in den Pianissimo-Passagen eine Intensität zu haben, die durch die Orchesterklänge leuchtet, das ist eine große Kunst, kein Zweifel. Sonya Yoncheva beherrscht sie meisterhaft. Und: Als ganz große Sängerinnen-Diva zelebrierte sie auch ihren Auftritt. Bedächtig wippend kommt sie auf die Bühne, im schwarzen langen, hautengen, fast schulterfreien Kleid, ein bisschen mit silbrig-glitzerndem Brokat belegt.
Nach der Pause schwebt Sonya Yoncheva im dezent hellen Pink herein, nur ein Träger, wieder so gut wie schulterfrei, aber diesmal mit weit ausgestelltem Rock. Schön anzuschauen, aber es schafft auch irgendwie Distanz. So perfekt Sonya Yoncheva singt – und, wie gesagt, sie hat da zurzeit weltweit kaum Konkurrenz –, so bleibt sie leider irgendwie doch auch kühl an diesem Abend. Die sparsamen Gesten wirken wie Routine, wenn sie etwa ein Blümchen aus den riesigen, rechts und links stehenden Gebinden zupft und die Blütenblättchen auf den Boden fallen lässt. Sie wirkt nach innen gekehrt, sie scheint nicht den Kontakt zum Publikum suchen und wirklich von den Nöten ihrer Figuren erzählen zu wollen. Das Lächeln scheint einstudiert.
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Und dann, liest man Sonya Yonchevas Biografie im mit Informationen zu den Stücken geizenden Programmheft – Übersetzungen der Gesangstexte: Fehlanzeige –, da staunt man, wie breit das Repertoire der Bulgarin ist. Vom Barock bis heute, Monteverdi, Händel, Cherubini, Bellini, Verdi, Tschaikowsky! Wenn ein Recital mit „The Art of“ angekündigt wird, wäre es doch eine optimale Gelegenheit diesen Facettenreichtum auch zu zeigen.
Stattdessen nur Puccini. Ja, der konnte wunderbare Melodien in Sänger- und Sängerinnenkehlen schreiben, aber es ist dann über zwei Stunden nur ein Stil und nur eine Facette, eben eindimensional. Und da es bei Puccini immer um mehr oder weniger zerbrechliche, leidende Frauen geht, die an Männern oder ihrer brutalen Umwelt zugrunde gehen und zu Tode kommen, durchweht den Abend eine ziemlich melancholische, depressive Stimmung. Wie herrlich wäre es gewesen, die große Kunst der Sonya Yoncheva auch bei Monteverdi, Händel oder Bellini bewundern zu können!