Hamburg. Aivis Greters sprang für den erkrankten Herbert Blomstedt ein. Das NDR-Orchester wurde zum scheuen Begleiter Francesco Piemontesis.

Der Schweizer Pianist Francesco Piemontesi hatte sich auf das gemeinsame Konzert mit dem leider erkrankten Herbert Blomstedt ebenso gefreut wie das NDR Elbphilharmonie Orchester und viele Menschen, die am Donnerstag extra Blomstedts wegen gekommen und teilweise sogar von weit her zu diesem Konzert angereist waren. Piemontesi hatte Beethovens 4. Klavierkonzert op. 58, das er in der Elbphilharmonie nun unter der Leitung des für Blomstedt eingesprungenen jungen lettischen Dirigenten Aivis Greters spielte, erst vor Kurzem in Kopenhagen unter der Leitung des 96-Jährigen aufgeführt.

„Es ist diese glasklare Struktur und der surreale (fast jenseitige) Klang“, sagt Piemontesi, „die Blomstedts Dirigate so besonders machen.“ Für Greters, der in der vergangenen Saison zum Assistenzdirigenten an der Göteborger Oper und beim Orchestre de Paris ernannt wurde, war es also alles andere als leicht, den legendären Dirigenten zu ersetzen.

Ersatzdirigent Greters erlaubt NDR Elbphilharmonie Orchester keine Impulse

Tatsächlich reagierte Greters auf Piemontesis Bekenntnis zu Sentimentalität schon in den ersten Takten des Allegro moderato von Beethovens viertem Klavierkonzert eher kühl. Er ließ das NDR Elbphilharmonie Orchester von Beginn an in den Hintergrund treten und erlaubte ihm keine eigenständigen Impulse.

So war das Orchester zu einer leider flächigen, unmotivierten Begleitung verdammt und konnte dem zauberhaften Anschlag und der brillanten Technik Piemontesis viel zu wenige Kontraste und Akzente entgegensetzen. Wenn eine Phrase im Pianissimo wiederholt werden sollte, klang sie im Orchester fast so laut wie zuvor, und die Klangbalance zwischen Streichern und Bläsern geriet ebenso außer Kontrolle wie die Entwicklungsfähigkeit mancher Steigerungen.

NDR Elbphilharmonie Orchester verharrt in Begleiterrolle für Piemontesi

So richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf Francesco Piemontesi, der mit viel Agogik, starken Kontrasten und scharfen Konturen arbeitete und damit alle drei Sätze formte, während das Orchester eher in seiner scheuen Begleiterrolle verharrte. In der Solokadenz des ersten Satzes ließ er sich immer wieder Zeit für überraschende Zäsuren und baute mit Hervorhebungen und plötzlichen Schüben große Spannung auf.

Wenn er dann mal pausierte, legte er locker die Hand auf die obere Kante seines Flügels, schloss die Augen beim Spiel des himmlisch schönen Andante-Themas oder gab bei einem brillanten Triller mit einem freundlichen Nicken gleich selbst den Einsatz für den Wiedereinstieg des Orchesters. Mit welcher Intimität und Musikalität er sein Publikum zu packen verstand, bewies er am Ende dann auch noch bei Franz Schuberts Impromptus Nr. 3 op. 90 als Zugabe.

Ein bisschen mehr Schärfe und Mut hätten Greters gutgetan

Ein besseres Bild als beim Klavierkonzert gab Aivis Greters dann im zweiten Teil bei Mozarts „Jupiter“-Sinfonie Nr. 41 KV 551 ab. Hier waren die Dynamik und die Klangbalance etwas ausgewogener, auch wenn manche Bläsersoli von den Streichern zuweilen zugedeckt wurden.

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Hervorragend agierte einmal mehr der Solo-Pauker Stephan Cürlis, der vor allem dem stürmischen Finale den rechten Schub versetzte. Und doch war Greters vielleicht noch zu wenig mit den Eigenheiten des Elbphilharmonie-Saals vertraut.

Dieser nämlich, äußerte auch Piemontesi, „tendiert meiner Meinung nach zu einem dauerhaften Mezzoforte, wenn man nicht entgegensteuert“. Ein bisschen mehr Schärfe und mehr Mut zu einem richtigen Forte hätten darum auch der Mozart-Sinfonie sicher gutgetan.