Hamburg. Macbeth, Hitler, Snape: Mit finsteren Gestalten kennt er sich aus. Oliver Masucci übernimmt in Hamburger Produktion Gastrolle auf Zeit.

Er ist wieder da. Der Schauspieler Oliver Masucci, der in der gleichnamigen Verfilmung des Timur-Vermes-Bestsellers den Hitler gespielt hat und damit (und insbesondere mit seiner Hauptrolle in der international gefeierten Netflix-Serie „Dark“) vor ein paar Jahren seinen internationalen Durchbruch gefeiert hat, ist nach Hamburg zurückgekehrt, um hier Theater zu spielen. Nicht am Deutschen Schauspielhaus, wo er unter Frank Baumbauer einst seine Karriere begonnen hatte, nicht auf Kampnagel, wo er zuletzt gemeinsam mit Catrin Striebeck Shakespeares „Macbeth“ als Zwei-Personen-Stück gespielt hat. Sondern als Gaststar am Mehr! Theater auf dem Großmarktgelände – für zehn exklusive Vorstellungen übernimmt Oliver Masucci ab Februar die Figur des Severus Snape in „Harry Potter und das verwunschene Kind“.

Gerade hat Masucci zudem seine Autobiografie „Träumertänzer“ veröffentlicht, die er – schon Mitte Februar – am Schauspielhaus vorstellen wird. Ein Gespräch über die netten Psychopathen von nebenan, Millionengagen für Nazirollen und darüber, wie man bei Polanski eine Rolle ergattert, die eigentlich Christoph Waltz spielen soll.

Als Hitler gelang Oliver Masucci der große internationale Durchbruch in der Bestsellerverfilmung „Er ist wieder da“.
Als Hitler gelang Oliver Masucci der große internationale Durchbruch in der Bestsellerverfilmung „Er ist wieder da“. © dpa | Constantin Film Verleih GmbH

„Das Leben besteht aus Zufällen. Die Frage ist nur, welchen man folgt und welche man liegen lässt“, schreiben Sie in Ihrer Autobiografie. Warum haben Sie bei „Harry Potter“ zugegriffen, als das Angebot kam?

Weil ich Teil der magischen Welt bin. Und sie ist Teil von mir. Ich habe als Harry-Potter-Fan angefangen – ich habe alle Bücher gelesen und vorgelesen. Ich bin total in dieser Welt versunken. Durch meine Rolle als Anton Vogel in dem Kinofilm „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse“ bin ich sogar „Head of the International Confederational World of Wizards“ geworden. Insofern ist es ja naheliegend, wenn ich auf die Bühne zurückkehre, das hier bei „Harry Potter und das verwunschene Kind“ zu machen. Und: Ich krieg raus, wie diese ganzen Tricks funktionieren, die die Theatermaschinerie hier zaubert! Wie die Leute auf der Bühne in den Telefonhörer verschwinden und die Dementoren auf die Zuschauer herabschweben. Es ist ja ein Zauberstück und kein Musical. Lustig, dass immer alle meinen, es sei ein Musical. Ich kann gar nicht singen! Und Snape ist natürlich eine Wahnsinnsrolle. Vielschichtige Charaktere, die man nicht direkt durchschaut, liegen mir, Figuren, bei denen nicht gleich klar ist, ob die gut oder böse sind.

Wir haben uns das letzte Mal bei den Proben zu „Macbeth“ getroffen, den Sie in der Regie von Matthias Hartmann beim Hamburger Theaterfestival gespielt haben. Gibt es eine direkte Linie von Macbeth zu Snape?

Eine dunkle. Der eine scheint erst mal gut und wird böse, der andere scheint böse und ist gut. Bei Macbeth stachelt seine Frau den Ehrgeiz an. Nach dem ersten Mord überkommt ihn sein Gewissen und er sucht nach dem einen Mord, der alle anderen Morde ungeschehen macht. Den gibt es natürlich nicht. Er interpretiert die Prophezeiung der Hexen vollkommen falsch, durch seine Wünsche getrieben. Snape ist selber Hexe.

Oliver Masucci: „Das Finstere spiele ich meist gar nicht – das ist die Projektion des Zuschauers“

Ein Säurefassmörder, Hitler, Macbeth, Snape – in Ihrer Rollenauswahl finden sich auffallend viele finstere Gestalten...

Schillernde! Na, durchaus auch finstere. Aber den Säurefassmörder auf Amazon Prime hab ich als einen gespielt, der sich selber glaubt, dass er‘s nicht war. Ein lustiger Geschichtenerzähler. Der nette Psychopath von nebenan. Das Finstere spiele ich meist gar nicht – das ist die Projektion des Zuschauers.

Und da gibt es Parallelen zum Harry-Potter-Gegenspieler Snape?

Snape trägt die lebenslange Bürde aus Liebe zu Harrys Mutter für die dunkle Seite zu arbeiten, um Potter zu schützen. Das ist eine sehr schöne und überraschend tragische Figur, die bereit ist sich zu opfern. Deswegen lieben ihn die Fans.

Oliver Masucci übernimmt vom 29. Februar 2024 an eine Gastrolle im Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ in Hamburg.
Oliver Masucci übernimmt vom 29. Februar 2024 an eine Gastrolle im Theaterstück „Harry Potter und das verwunschene Kind“ in Hamburg. © Sandra Ludewig | Sandra Ludewig

Sie haben in einer Reihe von Interviews erwähnt, dass Sie gern irgendwann einen James-Bond-Bösewicht spielen würden – haben die inzwischen mal angerufen?

Noch nicht. Der James-Bond-Bösewicht ist natürlich der urdeutsche Bösewicht!

Jedenfalls, wenn man wie Sie Hitler schon hinter sich hat...

Die Netflixserie „The Crown“ hatte mal angefragt, ob ich Hitler noch mal für ein, zwei Drehtage spielen würde. Ich bin doch kein „The Crown“-Karnevals-Clown und hatte keine Lust dazu und habe mir den Spaß gemacht, eine solche Unsumme zu nennen, dass sie es sich nicht leisten konnten. Ein Glück. (lacht) Ich höre übrigens tatsächlich oft, ich solle mal den James Bond spielen. So als könnte ich mir das aussuchen. (lacht) Als Bond musst du schon Brite sein. Finde ich.

Ist nicht inzwischen als Bond alles möglich? Man kann eine Frau sein, vielleicht also auch ein Deutscher?

Na gut, dann nehm ich die Rolle.

An mir soll‘s nicht liegen...

Es ist körperlich sicher furchtbar anstrengend, James Bond zu sein. Und dann dieses Brandmal 007 auf der Brust...

...anstrengend ist Theaterspielen ja auch...

Alles ist anstrengend, wenn‘s gut sein soll! Man sieht die tollsten Drehorte. Es muss schon Spaß machen.

Oliver Masucci kennt die Zauberwelt schon aus „Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore“, das in Deutschland als „Phantastische Tierwesen“ ins Kino kam.
Oliver Masucci kennt die Zauberwelt schon aus „Fantastic Beasts: The Secrets of Dumbledore“, das in Deutschland als „Phantastische Tierwesen“ ins Kino kam. © action press | Landmark Media Press and Picture

Bei „Macbeth“ hatten Sie knappe zwei Wochen zum Proben, das ist für Shakespeare sehr übersichtlich. Wie lange proben Sie für den Snape im Hamburger „Harry Potter“?

Zehn Tage. Schon straff, aber ich mach den Beruf ja, seitdem ich zwölf Jahre alt war. Ich sollte es hinkriegen. Snape hat nicht ganz so viel Text wie Macbeth.

Oliver Masucci: „Am Burgtheater habe ich elf verschiedene Stücke auf einmal gespielt, elf!“

Die Produktion „Harry Potter und das verwunschene Kind“ ist ja ein Riesenbetrieb. Sie kennen das Burgtheater, auch ein Riesenbetrieb...

...nicht zu vergessen das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo ich angefangen habe...!

Auch das. Der Unterschied ist: Hier dreht sich alles um ein einziges Stück. Die gesamte Konzentration geht auf eine Show. Ist die Arbeit an „Harry Potter und das verwunschene Kind“ dadurch dem Film näher?

Das kommt ja aus dem Film hier. Das ist das, was sie am besten können. Und sie müssen auch Geld damit verdienen. Der Fokus hier ist die magische Welt – und die siehst du im gesamten Theater. Das ganze Haus ist Teil dieser Welt. Das kann man in einem Repertoire-Betrieb gar nicht machen. Für mich ist es außerdem schön, dass ich ensuite spielen kann, weil ich danach wieder drehen kann. Ich spiele erst mal zehn Vorstellungen hintereinander weg. Der Repertoire-Betrieb hat mich als Ensemble-Schauspieler immer gestört. Am Burgtheater habe ich elf verschiedene Stücke auf einmal gespielt, elf! Ich liebe das Theater, wirklich, am Theater habe ich alles gelernt, was ich kann, ich habe die besten Kollegen kennengelernt und die tollsten Geschichten erlebt. Aber elf verschiedene Stücke in einer Spielzeit. Ich weiß im Nachhinein gar nicht, wie ich das geschafft habe. Wir hatten dazu noch zwei Kleinkinder in der heißen Zeit am Burgtheater. Aber hier für das Harry-Potter-Ensemble ist es auch straff, die haben ja sechs bis sieben Vorstellungen die Woche.

Oliver Masucci im Hamburger Mehr! Theater, wo er ab Ende Februar 2024 zehnmal als Professor Snape auf der Bühne stehen wird.
Oliver Masucci im Hamburger Mehr! Theater, wo er ab Ende Februar 2024 zehnmal als Professor Snape auf der Bühne stehen wird. © Sandra Ludewig | Sandra Ludewig

Die Show läuft seit zwei Jahren. Wäre so etwas je vorstellbar für Sie gewesen: Monatelang jeden Abend in der gleichen Rolle im gleichen Stück?

Als ganz junger Schauspieler vielleicht. Aber nein, nicht so lange. Ich liebe die Abwechslung und das Neue. Noch dazu ist alles sehr genau gearbeitet. Du musst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz stehen, sonst funktioniert der Zaubertrick nicht mehr. Aber das Publikum goutiert all das sicher sehr – und das spornt das Ensemble an, sagen sie. Jetzt mal wieder da oben zu stehen, die Theaterluft zu spüren, die Scheinwerfer, den Atem der Zuschauer... Für eine Zeit. Dass das mal wieder passiert, das finde ich schon sehr schön. Und dann wieder ab in die Welt.

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In „Harry Potter und das verwunschene Kind“ geht es vor allem um Vaterkonflikte. Ist das ein Thema, über das Sie sich besonders mit der Inszenierung verbunden fühlen? Auch in Ihrer Autobiografie geht es viel um Ihre nicht unkomplizierte Beziehung zu Ihrem Vater.

Es geht unter vielem anderen auch darum, wie mein Vater versucht hat, mir die Kreativität aus dem Leib zu prügeln und wie wir wie Katz und Maus umeinander herumgerannt sind! Bis ich meinen Vater niederstrecken musste. Damit er von mir abließ. Da war ich schon auf der Schauspielschule. Hinterher hab ich ihm die Hand gereicht, damit er wieder aufsteht – und seitdem machen wir das verbal. Um mich herum hat keiner an mich geglaubt. Auch in der Gesellschaft war ich nur von Angst und Negativität umgeben, wenn es um das Künstlerische ging. Gleichzeitig fühle ich mich nicht als Opfer.

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Wie meinen Sie das?

Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich diesen Konflikt nicht gehabt hätte. Dieser italienische Patriarch hat mir eine unglaubliche Angriffsfläche geboten, gegen die ich mich durchsetzen musste, das hat mich natürlich auch stark gemacht. Ich liebe meinen Vater. Das berührt einen auch bei „Harry Potter und das verwunschene Kind“. Es ist berührend, und es ist gruselig. Am Ende heult man auch. Wie das Stück es schafft, dass man sich an die Bücher erinnert, an sein eigenes Fan-Sein! Da kommen Erinnerungen hoch, das ist wirklich klug gemacht.

Jetzt sind Sie für „Harry Potter“ in Hamburg, das letzte Mal waren Sie für „Macbeth“ auf Kampnagel hier. Kommen Sie noch einmal ans Schauspielhaus, wo Ihre Bühnenkarriere begann?

Ich komme mit meinem Buch am 14. Februar wieder auf die große Bühne, das ist doch ein Anfang! Ich will erst mal mit meiner eigenen Geschichte auf die Bühne und nicht mit fremden. Das ist eine neue Erfahrung.

Klingt, als wollten Sie womöglich eines Tages als Regisseur zurückkehren...?

Gerne! Regie kann ich mir vorstellen. Und zwar aus dem Grund, dass du dann nach zwei Monaten gehen kannst. Während der Schauspieler das danach immer weiterspielen muss.

Sie zitieren in Ihrem Buch die Schauspielkollegin Sophie Rois: „Ein bescheidener Schauspieler ist ein Witz.“ Ist Ihre Verpflichtung demnach für das Mehr! Theater auch eine kostspielige Angelegenheit?

Bestimmt.

Und unabhängig von der Gage – welche Vorgaben oder Wünsche hatten Sie an diese Proben? Sie schreiben in Ihrer Autobiografe ja auch, Sie seien anstrengend – oder jedenfalls: anspruchsvoll.

Wenn man anspruchsvoll ist, wird das oft als anstrengend wahrgenommen. Ich möchte halt gern, dass die Leute in der Geschichte versinken können, weil sie so gut erzählt ist... Aber das werden die hier schon können. Es geht im Film wie im Theater darum, die Menschen zu verzaubern. Dafür darf man sich nicht schonen. Das merkt das Publikum.

Oliver Masucci: „Ich drehe einen Kinofilm mit dem Sohn von Jean-Paul Belmondo“

Welches Projekt steht für Sie als nächstes an?

Ich drehe einen deutsch-französischen Kinofilm mit dem Sohn von Jean-Paul Belmondo. Danach mache ich den zweiten „Woodwalkers“-Kinofilm, insgesamt wird es drei geben, danach eine Fantasy-Serie, die in der Zukunft spielt, ziemlich abgefahren. „The Palace“ ist schon abgedreht und startet als nächstes im Kino.

Für „The Palace“ haben Sie erstmals mit Roman Polanski gedreht. Wie war das?

Ja, mein Polanski-Film. Mit John Cleese! Mr. Monty Python... Mit Cleese zu drehen, mit Fanny Ardant, mit Mickey Rourke. Das war schon eine eigenwillige Erfahrung. Dessen Rolle sollte ich eigentlich spielen. Meine Rolle sollte Christoph Waltz spielen. Roman Polanski hatte sich einen kleineren und filigraneren Schauspieler als mich vorgestellt. Christoph Waltz konnte aber nicht mehr, und da habe ich zu Roman Polanski gesagt: Ich könnte es ja mit Schauspielern versuchen! Da musste er so lachen – und zwei Tage später hatte ich die Rolle.