Hamburg. Die Dirigentin Han-Na Chang und der Geiger Gil Shaham fesseln ihr Publikum. Beethovens Violinkonzert wirkte erstaunlich intim.

Gil Shaham ist das lebende Beispiel dafür, dass sich der Begriff „Virtuose“ nicht auf flinke Finger beschränkt. Ja, der US-amerikanische Geiger streut die virtuosen Kaskaden in Beethovens Violinkonzert mit einer Noblesse aufs Griffbrett, die seine exzellente Technik verrät. Und die heiklen Solo-Kadenzen sitzen phänomenal sicher. Aber seine manuellen Fähigkeiten sind nur der Ausgangspunkt für die Interpretation, mit der er und die Symphoniker Hamburg ihr Publikum in der Laeiszhalle fesseln.

In Gil Shahams Spiel in der Laeiszhalle Hamburg vibriert etwas vom Geigenideal früherer Zeiten mit.
In Gil Shahams Spiel in der Laeiszhalle Hamburg vibriert etwas vom Geigenideal früherer Zeiten mit. © Daniel Dittus | Daniel Dittus

Shaham formt auf der Stradivari einen Ton, in dessen Süße ein bisschen was vom Geigenideal früherer Zeiten mitvibriert. Er lässt diesen Ton leuchten, nimmt ihn aber auch immer wieder geschmackvoll zurück, um Melodien auf Ohrenhöhe mit dem Orchester auszutauschen. Manchmal tritt er ganz nah ans Pult, geht in engen Kontakt mit der Dirigentin Han-Na Chang und den Symphonikern. An einer Stelle lässt er dem Fagott den Vortritt, säuselt seine Stimme nur ganz zart. Hier wird der Solist selbst zum Begleiter.

Symphoniker Hamburg: Die Chemie zwischen dem Orchester und seiner Ersten Gastdirigentin stimmt

Die Symphoniker gehen gern drauf ein. Sie nehmen den Dialog an, spielen sehr kammermusikalisch. So wirkt Beethovens Violinkonzert erstaunlich intim. Inspiriert von Shaham, dem großartigen Geiger, und von Chang, die das Ganze zusammenführt.

Die Chemie zwischen dem Orchester und seiner Ersten Gastdirigentin stimmt. Auch in der zweiten Hälfte, die aus einer ganz anderen Ecke des musikalischen Periodensystems kommt. Die zweite Sinfonie von Rachmaninow hat eine viel größere Dichte im Klang. Sie ist dick instrumentiert, die Symphoniker füllen jetzt die ganze Bühne. Aus den dunklen Farben der Musik spricht eine tiefe Melancholie und Schwere. Aber Han-Na Chang bringt die Sinfonie in Fluss. Die feingliedrige Koreanerin hat einen ganz eigenen Stil. Ihre Hände kreisen eher, als dass sie den Takt wirklich schlagen, vollführen manchmal kleine Schnörkel. Damit lockert sie den Klang auf, er wird nie zu zäh. Sie behält immer die Verästelungen der Stimmen im Blick, formt weite Spannungsbögen und weiß genau, wann die Musik Zeit braucht, um zu schwelgen.

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Symphoniker Hamburg: Romantisch, schmachtend, bittersüß

Besonders schön gelingt das im Adagio. Da macht Chang gar nicht viel, führt das Orchester nur mit sparsamen Gesten der rechten Hand – und bekommt trotzdem einen üppigen Sound, mit dem sie und die Symphoniker das herrliche Streicherthema auskosten. Romantisch, schmachtend, bittersüß.

Der emotionale Höhepunkt des Stücks, das mit einem triumphalen Finale endet: Beckenrauschen, Paukenwirbel, Blechbläserpracht. Am Ende Riesenbeifall für die Symphoniker und ihre Gastdirigentin, die das Orchester zur Bestform gepusht hat.