Hamburg. Die Indianer-Comedy, besser indigene Comedy, ist mit das Beste, was derzeit an Serien-TV zu haben ist. Ihr Humor ist leise.

Am Ende der zweiten Staffel von „Reservation Dogs“ sind die vier Kids aus Oklahoma in Kalifornien gestrandet, ohne Geld, ohne Obdach. Und trotzdem muss man sagen: endlich Kalifornien. Kalifornien ist der Endpunkt all ihrer Träume, Sehnsüchte, Hoffnungen. Elora (Devery Jacobs), Bear (D‘Pharaoh Woon-A-Tai), Cheese (Lane Factor) und Willie Jack (Paulina Alexis) sind traumatisiert gewesen vom Tod ihres Freundes Daniel. In ihrer Kleinstadt, der Heimat des indigenen Stammes Muscogee Nation, gab es nicht viel zu tun für sie. Sie brauchten eine Perspektive.

Sie lebten bei alleinerziehenden Müttern, bei ihren Onkeln, oder waren es Cousins? Ganz klar war das nicht. Es gibt viele Verwandtschaften, die weit zurückreichen. Ganz weit mitunter, bis zu den Vorvätern; William „Spirit“ Knifeman (grandios: Dallas Goldtooth) nennt seinen Protegé Bear grundsätzlich „Onkel, Bruder, Cousin“. William ist immer mit Federschmuck und Tierhäuten am Leib zu sehen. Ein selbst erklärt stolzer Krieger, der am berühmten Little Big Horn gekämpft hat. Angeblich.

„Reservation Dogs“: Die viel gelobte Serie ist in Deutschland auf Disney+ zu sehen

Er ist in dieser ans Herz gehenden, tragikomischen Coming-of-Age-Geschichte Bears spiritueller Führer. Der Clou ist: Es gibt ihn gar nicht wirklich. In der kleinen, unbedingt zusammenstehenden Gemeinde, in der Armut herrscht und Drogen allgegenwärtig sind, sind surreale Vorkommnisse völlig normal.

Aber es gibt auch sehr reale Angelegenheiten: Arbeitssuche, Stress mit einer anderen Jugendgang, die den „Rez Dogs“ das Leben schwer macht. Wenn jetzt die dritte und letzte Staffel der viel gelobten Serie in Deutschland auf Disney zu sehen ist, werden manche Abschiedsschmerz verspüren: „Reservation Dogs“ hat auch hierzulande viele Fans.

Mehr zum Thema

Weil der oft leise Witz von „Reservation Dogs“ nichts anderes als Sympathie zulässt. Letzteres gilt auch für die Tatsache, dass beinahe alle an dieser Produktion (Showrunner: Taika Waitit/Sterlin Hajo) beteiligten Schauspieler und Produzenten indigener Herkunft sind. Zahn McClarnon spielt den Stammes-Cop Officer Big, man kennt ihn aus „Longmire“ und „Fargo“.

Seine Auftritte sind wie die von Onkel Brownie (Gary Farmer), der erst uraltes Weed raucht und dann einen bedrohlichen Hurrikan mit der Axt vertreiben will, meist köstlich. Wenn die weißen Cop-Kollegen in ihren neuen Polizeiautos ihn wegen seiner Schrottkiste veralbern, sagt das viel über die Lebenswirklichkeit und Deklassierung der Nachfahren der Ureinwohner.

US-Serie „Reservation Dogs“: ein Sozialstück über das heutige Amerika

„Reservation Dogs“ ist ein Sozialstück über das heutige Amerika und eine kluge Betrachtung des Lebens. Das meint nicht nur das junge Leben. Die Serie macht einen nicht nur deswegen schlauer, weil sie eine nicht so häufig betrachtete Gesellschaftsgruppe in den Blick nimmt. Sondern weil sie viel über Menschen und ihre Bedürfnisse erzählt. Alle Biografien hier sind gebrochen, Normalfamilien kommen in der Realität der Indigenen nicht vor.

Im Serien-Abschluss muss man auch in Kalifornien auf William Knifeman nicht verzichten. Sein Geist ist überall, nicht nur in Oklahoma. Die vier Freunde suchen das Glück nun zunächst abseits der Heimat. Bears unzuverlässiger, in Los Angeles lebender Rapper-Vater, der seinen Sohn bisher immer enttäuscht hat, ist wenig überraschend nicht anzutreffen. Die Verlorenheit von Bear gleicht der seiner Freunde, ihr Erwachsenwerden findet unter erschwerten Bedingungen statt und führt natürlich auch nach Oklahoma zurück.

Elora (Devery Jacobs) und Bear (D‘Pharaoh Woon-A-Tai ) haben sich meist viel zu sagen.
Elora (Devery Jacobs) und Bear (D‘Pharaoh Woon-A-Tai ) haben sich meist viel zu sagen. © 2021 FX Productions, LLC. All rights reserved. | 2021 FX Productions, LLC. All rights reserved.

Das Leben hält aber weiter Überraschungen bereit, insbesondere für Elora. Ein Hollywoodstar hat einen Überraschungsauftritt auf den letzten Metern dieser glorreichen Serie, die mehr als ein Kleinod ist.

Alle Folgen von „Reservation Dogs“ sind auf Disney+ abrufbar.