Hamburg. Völkerfreundschaft in der Horizontalen: „Wie die Schweden das Träumen erfanden“ ist ein typischer Jonas Jonasson. Ikea? Chancenlos.

Schweden hat mit künstlerischer und kapitalistischer Vehemenz die Welt erobert. Die Invasion war mit Abba nie zu Ende, es kamen auch noch Ace of Base und Dr. Alban. H&M und Volvo. Ikea natürlich! Und Jonas Jonasson, der Millionenschwede mit der possierlichen Schreibe. Der Autor mit den niedlichen, menschenfreundlichen Romanen, der 2011 auch Deutschland im Sturm eroberte, als er einen sehr alten Mann beim Ausbüxen beobachtete: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“.

Nun, was Ikea angeht, haben „Brimnes“, „Hemnes“ und „Nordli“ in Jonassons neuem Roman „Wie die Schweden das Träumen erfanden“ keine Chance. Es ist ausgerechnet eine deutsche Firma, die den skandinavischen Möbelgiganten in der Horizontalen abgehängt hat. „Traumbett“ heißt sie und verkauft ihre Ware weltweit, nur halt nicht in Schweden.

Konrad Kaltenbacher jr. will das ändern. Und Julia Bäck sich dies zunutze machen. Sie ist Bürgermeisterin in Hastaholm, einem tristen Provinzort 100 Kilometer südwestlich von Stockholm, wo seit der Schließung der Reifenfabrik vor etlichen Jahren gar nichts mehr los ist. Das würde sich ändern, wenn die Deutschen ihre Schweden-Dependance nach dort legten.

Neuer Roman von Jonas Jonasson: Kommt nach Schweden, Hamburger!

Die Stockholmer wollen aber auch den dicken Fisch an Land ziehen. Also muss mit allen Mitteln um die übrigens aus Hamburg stammende Firma gekämpft werden. Charmeoffensive und so. Die Deutschen sollen sich am Allerwertesten der Welt wohlfühlen.

Und so stellt Julia eine Taskforce zusammen. Sie hat die typische Jonasson-Prägung. Mit einem Arbeitslosen („Boule-Bosse“), einem Kind („Peter der Kleine“), einer alten Frau und allerlei Manövern will sie die Ausländer so umgarnen, dass sie einfach „Ja“ zu Hastaholm sagen müssen.

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„Wie die Schweden das Träumen erfanden“ ist also der von Jonasson wie stets handwerklich routiniert unternommene Versuch, unterhaltsam von der Globalisierung und kommunaler Wirtschaftspolitik zu erzählen. Derlei hochtrabende Begriffe fallen im Roman nicht, der jede Komplexität scheut und keine Übertreibung auslässt.

Das macht seinen Witz aus, den man nur dann unbedingt fad finden muss, wenn man es anspruchsvoller mag. Aber Jonasson macht in Wirklichkeit alles richtig mit seinem siebten Roman: Er ist nur 160 Seiten lang.

Jonas Jonassons neuer Roman „Wie die Schweden das Träumen erfanden“: „Hallo, hallo! HSV!“

Ein Jonasson als Hochkonzentrat also. Mit klarem Strich gezeichnete Figuren, Stereotype unbedingt erwünscht. Alles muss sofort wiedererkennbar sein. Der Berater, der „Traumbett“ im Auftrag der Regierung für das übermächtige Stockholm gewinnen soll, ist ein unsympathischer, kinderhassender Alkoholiker.

Apropos Kinder: Der Hamburger Großunternehmer Kaltenbacher, ein Witwer, hat Zwillingstöchter. Beim Besuch in Hastaholm, der Kleinstadt mit genau einer Pizzeria und einem Kreisverkehr, stecken sie ihr künftig schwarzrotgoldenes Revier mit den Schlachtrufen ab, die gleichzeitig so deutlich ihre Herkunft markieren: „Hallo, hallo! HSV!“ – „Hallo, Heidi Klum!“

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Die fesche Bürgermeisterin zieht alle Register. Sprengt rote Schwedenhäuschen, um den Deutschen die gewünschten Parkplätze bauen zu können, widmet das Hallenbad zur deutschen Bierstube um, stellt eine Günter-Grass-Statue in die örtliche Bücherei, tauft den Kreisverkehr auf den Namen „Angela-Merkel-Rondell“.

Später, als es um die Frage der Anbindung an die Hauptstadt geht – für den deutschen Interessenten ist die unerlässlich –, wird Julia Bäck noch erfinderischer. Im Rahmen der Gesetze bewegt sie sich nicht.

Bestsellerautor Jonas Jonasson: „Die Deutschen, die ich so sehr liebe“

Dem Hanseaten Konrad gefällt sie dennoch ausnehmend gut, denn dies ist, eh klar, eine Liebesgeschichte. Zwischen Deutschland und Schweden. „In diesen schweren Zeiten wollte ich etwas Hoffnungsvolles schreiben, über die Freundschaft – nämlich über die Freundschaft zwischen den Schweden und den Deutschen, die ich so sehr liebe“, sagt Jonasson über sein neues Buch. Die Schweden, Mensch; man muss wiederum sie für ihre entschlossene Absage an alles Subtile lieben.

Dabei ist der eigentliche Gag doch der: dass die in der Realität so lahmen, satten, schläfrigen Deutschen, deren Fußball zum Beispiel selten erfolgloser war, in diesem kurzweiligen Roman dann halt konsequenterweise ausgerechnet mit dem Siegeszug von Betten erfolgreich sind. Diese böse Spitze wäre aber nie eine, die Jonas Jonasson, der optimistische Mann aus dem Norden, setzen würde.

Das Buchcover von „Wie die Schweden das Träumen erfanden“ (C. Bertelsmann, 160 S., 22 Euro).
Das Buchcover von „Wie die Schweden das Träumen erfanden“ (C. Bertelsmann, 160 S., 22 Euro). © Penguin Random House Verlagsgruppe | Penguin Random House Verlagsgruppe

Speziell mit Hamburg meint es Jonasson, der oft in der Hansestadt zu Gast war (Holsten scheint ihm nicht zu schmecken, seine Romanfigur Kaltenbacher trinkt am liebsten Düsseldorfer Alt, was sicher ungenießbarer ist als erstgenanntes Bier, wie angemerkt sei), übrigens gut. Den Großraum Hamburg beziffert er im Roman mit fünf Millionen Einwohnern. Was gar nicht mal falsch ist, aber bei Bremer und Lübecker Leserinnen und Lesern Abwehrreflexe hervorrufen könnte.