Hamburg. Im goldenen Serienjahr 2014 war die Hommage an die Coen-Brüder ein Hit. Cool: Die neue Staffel bedeutet die Rückkehr zu alter Form.

Für das alte Fargo-Feeling braucht es nicht viel. Ein bisschen aktiv-aggressive Action aus wunderlichem Anlass. Und natürlich diesen Akzent, den man im Originalton erleben muss, den hinterwäldlerischen Minnesota-Sound, der Wörter gewöhnungsbedürftig dehnt und auch sonst irgendwie... anders ist. You betcha! Jetzt läuft die fünfte Staffel der Anthologie-Serie an. Sie ist wie die vorhergehenden exzellent besetzt und hochklassig produziert.

Aber deutlich griffiger als der letzte Eindruck, den Noah Hawleys komödiantisch unterspülte Crime-Serie mit der vierten Staffel hinterließ. Dort ging es um den Mafiakrieg in Kansas City in den 1950er-Jahren. In den neuen zehn Folgen ist „Fargo“ zurück im Refugium der Landeier und in der Gegenwart – die Geschichte spielt 2019. Zurück ist auch die eisige Midwestern-Atmosphäre, bei der die Außentemperaturen bis in die Familie kriechen. Im Falle der Lyons ist es die despotische Matriarchin Lorraine (Jennifer Jason Leigh), die ihren devoten Sohn Wayne (David Rysdahl) kontrolliert, nicht aber Schwiegertochter Dorothy.

„Fargo“: Knallauftakt der fünften Staffel

Auftritt Juno Temple („Ted Lasso“): Meisterhaft, wie sie die hingebungsvolle Ehefrau und Mutter spielt, in deren Seele Wehrhaftigkeit und Gewaltbereitschaft tief verankert sind. Wer „Fargo“ liebt, wird den Knallauftakt dieser Staffel lieben. Zunächst wird Dorothy Lyon verhaftet, weil sie mit dem Taser unter anderem einen Polizisten angriff, der bei einer aus dem Ruder laufenden Schulratssitzung für Ordnung sorgen wollte.

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Ein bizarrer Start in eine Erzählung, in der die amerikanisch-absurde Interpretation des Rechts auf Selbstverteidigung früh zitiert wird. Da posieren die Lyons auf Lorraines Geheiß präpotent mit Schusswaffen für ein Familienporträt. Derartige Impressionen aus der Republikaner-Hölle gingen in den vergangenen Jahren immer wieder viral: Strahlende Waffennarren, die – durch ihre Redneck-Selbstüberzeugung auch mental hochgerüstet – ihren angeblich gottgegebenen Anspruch forsch inszenieren.

„Fargo“: Austeilen mit Haarspray und Feuerzeug

In „Fargo“, das vor allem in Minnesota und North Dakota spielt, jenen einst hauptsächlich von Deutschen und Skandinaviern besiedelten Gebieten, wird tatsächlich viel geballert, zur Not auch von Dorothy Lyon. Sie kann aber auch ohne Gewehr austeilen, zum Beispiel, indem sie dem Angreifer mit Haarspray und Feuerzeug die Visage verkokelt. „Fargo“ ist gerade mal eine halbe Stunde alt, da hat sich Dorothy schon als Frau mit dubioser Vergangenheit etabliert, die zwar von Killern gejagt und enführt werden mag, aber in der Lage ist, sich in einem blutigen ersten Finale derer kompetent zu entledigen.

„Stranger Things“-Star Joe Keery spielt in „Fargo“ den zwielichtigen Polizisten Gator Tillman.
„Stranger Things“-Star Joe Keery spielt in „Fargo“ den zwielichtigen Polizisten Gator Tillman. © Copyright 2023, FX Networks. All Rights Reserved. | Copyright 2023, Michelle Faye/FX Networks. All Rights Reserved.

Jon Hamm („Mad Men“) brilliert als selbstherrlicher Über-Sheriff Roy Tillman, der die Dinge auf seine Weise lösen will und auf die Regeln, die Regierungen aufstellen, einen Kehricht gibt. Warum er Dorothy – nach deren zufälliger Festnahme und erkennungsdienstlicher Behandlung hat er endlich eine Spur – obsessiv jagt, sei an dieser Stelle nicht verraten.

Nur, dass das Drehbuch nach dem ersten, von Sheriff Tillmans Häschern versauten Zugriff auf Dorothy ein vollendetes Paranoia-Setting bereithält. Dorothy wird zur Ein-Frau-Armee gegen die Bedrohung aus ihrer Vergangenheit, die Tillmans – außer Roy ist da noch sein komplexbeladener Sohn Gator (Joe Keery) – haben aber selbst jemanden an den Hacken.

Neue „Fargo“-Staffel: Die Abgründe der Vorstädte

Ole Munch (Sam Spruell) ist in dieser subtil von Trump-Vibes getragenen Handlung der „Fargo“-Idealtyp des psychopathischen Kriminellen, nicht ganz Lorne-Malvo-Kaliber (Billy Bob Thornton in Staffel eins!), aber fast. Es gab in Noah Hawleys Porträts der Abgründe der Vorstädte, des ländlichen Amerikas, neben der Dumpfheit der Menschen, ihrem Versinken in absurder Gewalt, auch immer das Herzerwärmende, das Behauste.

Die Polizistin Molly Solverson in Staffel eins und ihr Vater, der Ex-Cop Lou: Da gab es Zuflucht vor der grimmigen Landschaft des mittleren Westens, wenn die beiden aufeinandertrafen. Meist in Lous Imbiss, einem Symbol amerikanischer Gemütlichkeit. In der neuen Staffel vermisst man die beiden fast, obwohl Richa Moorjani („Noch nie in meinem Leben“) als Deputy Indira Olmstead Mollys Sympathiewerte durchaus erreicht.

„Fargo“ hat sich als Serie sehr gut gehalten

Die Serie lebt wie immer von ihren Hardcore-Charakteren, den Gelüsten hinter der Fassade – Sheriff Tillman hat gepiercte Nippel. Schon die ersten drei Folgen haben den „Fargo“-Mix aus Gewalt, Dialogen und Spaß, für die diese Serie bekannt ist. Die vielfach prämierte erste Staffel mit Martin Freeman und Billy Bob Thornton erschien 2014, einem goldenen Jahr für TV-Serien. In jenem Jahr kam auch „True Detective“ heraus. „Fargo“ war viel amüsanter als dieses düstere Krimi-Großwerk. Und es hat sich über die Jahre auch wesentlich besser gehalten, wie die fünfte Staffel beweist. Die neue „True Detective“-Staffel mit Jodie Foster ist übrigens ab Januar zu sehen.

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Von dem 1996 erschienenen Film der Coen-Brüder, von dem sich „Fargo“ seinen Namen lieh, hat sich die Serie längst emanzipiert. Aber dessen Geist, den Witz im Wahn der ländlichen Regionen, hat sie perpetuiert – und wurde damit zu einer der besten Serien überhaupt.

Die fünfte Staffel von „Fargo“ ist ab 22. November wöchentlich auf Magenta TV abrufbar.