Hamburg. Der englische Musiker legte vor 12.000 Leuten einen imposanten Auftritt hin. Ohne Blaulicht wäre es aber sicher nicht gegangen.

Über die High-Performer im Alter, die Ü-60-Marathonläufer und immens fitten Powerpensionäre ist eigentlich genug gesagt. Sie spurten am Volkspark grundsätzlich an uns vorbei. Dass wiederum Sting 72 Jahre zählt mittlerweile, ist nach Pop-Maßstäben ohnehin keine große Sache. Nach Jahrzehnten im Business stehen nicht nur die Rolling Stones noch mehr als wacker auf den großen Bühnen; wer die ganz wilden Jahre überlebt hat, kann im Rock’n’Roll alt werden. Und Ausdauer beweisen, auch wenn sich morgens beim Aufstehen die Hüfte vermutlich anders anfühlt als früher: Sting ist schon seit 2019 auf „My Songs“-Tournee und hat inklusive einiger Verschiebungen seitdem weit mehr als 200 Konzerte gespielt.

In Hamburg, vor 12.000 Menschen, gab es am Montagabend wie eigentlich immer in Stings Hit-Revue als erstes Stück „Message In A Bottle“ zu hören. Es war der Auftakt einer oft atemlos dargebotenen Show, in der Sting sich (und seiner Band, Gitarre, Keyboard, Drums, Mundharmonika, Backgroundgesang) wenig Pausen gönnte. „Englishman In New York“, „Every Little Thing She Does Is Magic“, “If You Love Somebody Set Them Free” – da war kein Warten auf die Klassiker nötig, Sting gab seine großen Erfolge umstandslos bereitwillig her.

Sting in Hamburg: Alles, was er macht, ist magisch

Spulte er sein Programm allzu zügig ab, als Dienstleister auf derzeitiger neverending tour? Kann man so nicht sagen, Melodien für Tausende zu singen ist etwas anderes als Brötchenbacken. Und sollte sich jemand gefragt haben, ob der Bass spielende und singende, der so fix von Song zu Song eilende Engländer womöglich gedopt war angesichts des Tempos, das er teilweise anschlug: Wenn, war es sicher maximal irgendein asiatischer Tee mit vitalisierender Wirkung, an dem der durchtrainiert wirkende Musiker (macht er eigentlich noch Yoga? Tantrischen Sex?) vor dem Auftritt unter Umständen nippte. In den Neunzigerjahren erzählte Sting („Ich war ein Monster“) mal vom ständigen Kokskrawall mit Andy Summers und Stewart Copeland während seiner Police-Zeit, lange her war das damals schon.

Ja, The Police. Unnötig zu sagen, dass die Songs dieser Band, die von 1977 bis 1986 (und danach sporadisch) existierte, nicht altern. Sie sind Stings wichtigstes, sein wahres Erbe. Anzunehmen, dass viele Menschen auf seinen Konzerten diese ältesten Stücke aus seinem Werk am meisten lieben und enttäuscht wären, wenn er sie nicht spielte.

Sting in der Barclays Arena: Hinfiebern auf die Police-Hits

Sie wurden gespielt, man hörte jeden von ihnen gerne: „Walking On The Moon“ (majestätisch, Chorgesang im Publikum!), „Spirits In The Material World“, natürlich „Every Breath You Take“. Man hat Sting besonders in den mittleren Karrierejahren oft fad und langweilig genannt. In den späten werden die Kommentatoren oft generell milder, nostalgischer, sie sehen dann Leistungen in einem anderen Licht, von der vermutlich als wirklich fad wahrgenommene Pop-Gegenwart aus. Bei Sting ist das eh so, aber grundsätzlich: Wie soll jemand, der einen Über-Song wie „Roxanne“ geschrieben hat, tatsächlich je farblos gewesen sein? Glamour ist nicht alles.

Das Publikum in der Barclays Arena hatte einen ziemlich guten Abend, komplett sitzend, der Innenraum war bestuhlt. Es bekam, nach dem Hit-Start, ein paar Sting-Worte auf Deutsch (mit Bezug auf die mehrmalige Verschiebung des Konzerts – „Sie haben Ihre Tickets behalten, wir leben alle noch“) und dann mit „If I Ever Lose My Faith In You“ und „Fields Of Gold“ (Handylichter, kaltes Weiß, nicht warmes Gold) zwei Stücke von Stings vielleicht erfolgreichstem Soloalbum „Ten Summoner’s Tales“ serviert. Die Band spielte funky, die Hamburger blieben dennoch erst mal sitzen – bis „Brand New Day“ kam und der „Stand up“-Vers im Songtext.

Sting hatte das Hamburger Publikum bis zum Schluss auf seiner Seite

Sting hat eine mehr als respektable Nach-Police-Karriere hingelegt, das zarte „Shape Of My Heart“ und das eingängige „All This Time“: Sie klangen gut in der Barclays Arena und wurden freundlich beklatscht. Aber es war, nach fast zwei Konzertdritteln vielleicht, doch ein allgemeines Hinfiebern auf die Police-Hits.

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Und sie kamen dann auch, ab „Invisible Sun“, nach genau diesen ersten beiden Konzertdritteln. Die New-Wave-Weltbeherrscher The Police hatten von Ende der Siebzigerjahre an einen Lauf und waren kurz sogar die größte Band der Welt. Ein fernes Echo darauf gab es in der Barclays Arena, in der auch ein paar Jüngere mitsangen, die die großen Songs als Nachgeborene kennen. Bei „So Lonely“ flippten alle Altersgruppen aus, als sei wieder Teenie-Party im Hobbykeller. Die Sting-Solo-Nummer „Desert Rose“, der Song von 1999 mit Weltmusikeinfluss, fügte sich gut ins Konzertfinale. Er ist einer der meistgestreamten Songs des Musikers, übrigens.

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Sting in Hamburg: „Roxanne“ wird immer ein Smashhit sein

Dass Sting auf der aktuellen Tour lieber „King Of Pain“ (wie bei „Every Breath You Take“ mit seinem Sohn Joe Sumner auf der Bühne) als „Wrapped Around Your Finger“ spielt, muss man nicht wörtlich nehmen. Das Hamburger Publikum hatte er von Anfang an und bis zum Schluss auf seiner Seite.

Und es war nichts schmerzhaft an diesem Abend. Der Blick zurück ist eine bittersüße Angelegenheit, die sich optimalerweise frisch ins Hier und Heute verströmt: Könnte gut sein, dass Sting demnächst noch einmal vier Jahre tourt. Die Leute werden ihn immer hören wollen.

Und „Roxanne“ wird immer ein Smashhit sein.