Hamburg. Ach, herrlich: Der Dampfschnacker spielte mal wieder zu Hause auf. Es flogen Kissen in der Großen Freiheit, fest und flauschig.
Im Februar 2024 soll ein neues Album erscheinen, das letzte ist fünf Jahre her. Was hat der Mann seitdem zu tun gehabt. Die Geschichte des Olli Schulz ist ja völlig irre. Er wurde vom leidlich erfolgreichen kleinen Indiemucker zum Chef-Podcaster und Fernsehkasper von höchsten Beliebtheitsgraden.
Eigene TV-Sendungen, Sidekick von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Schauspielerei (zuletzt in „Last Exit Schinkenstraße“): Der Stellinger wurde berühmt. Interessanterweise erst, nachdem er aus Hamburg nach Berlin gezogen war. Ewig her schon. Jetzt gab es mal wieder eine Heimkehr, zum Konzert in der Großen Freiheit am Mittwochabend.
Olli Schulz spielte in der Großen Freiheit mit vierköpfiger Band
Volle Bude, er hat ja eh sein Publikum und nach seinem Fernseh-Ruhm auch bundesweit. In Hamburg, durfte man beobachten, waren sogar ein paar ganz alte Fans dabei. Die, die ihn noch aus der Zeit von „Olli Schulz und der Hund Marie“ kennen. Der Entertainer Schulz ist gerade 50 geworden. Könnte sein, dass er selbst in einer nostalgischen Phase ist. In der Freiheit spielte er mit seiner vierköpfigen Band (an der Gitarre: der alte Mitstreiter Max Schröder) „Der Moment“ und „Dann schlägt dein Herz“, das ganze jungstürmerische, drangvolle Zeug von früher.
Sind gut gealtert, die Stücke. Wie man überhaupt sagen muss, dass die Wiederaufnahme des musikalischen Fadens eine willkommene Rückbesinnung Schulz‘ auf seine künstlerische Herkunft ist. In Hamburg erlebte man an diesem Abend nicht den TV-Primetimer, sondern den Indiemusiker. Er ist, wie man an etlichen neuen Songs („Einfach so“, die Sesamstraßen-Nummer „Keine Angst vor der Angst“) merkte, sich treu geblieben: Kein reiner Poet, aber mit dem Herz auf der Zunge unterwegs.
Und das merkten die Hamburger schnell, denn sie bekamen gleich am Anfang einen Einlauf: Er wolle an diesem Abend nicht um die Aufmerksamkeit des Publikums kämpfen müssen, erklärte Schulz („Ich weiß, das klingt jetzt mimosenhaft“), wie bei den letzten Konzerten in der Freiheit – und meinte damit die ständigen „Olli“-Krakeeler, die auch diesmal gleich losgelegt hatten. Schon kurze Zeit spazierte Schulz bei „Phase“ aber singend durchs Publikum. Um Fan-Nähe zu demonstrieren.
Singen kann Olli Schulz noch immer nicht – aber das ist auch richtig so
Schulz erinnerte auch früh daran, dass er die Freiheit „in und auswendig“ kenne, acht Jahre hat er hier als Ordner gearbeitet. Und er berichtete, was der wahre Grund für das überfällige neue Album sein könnte: seine inzwischen 14-jährige Tochter. „Der Respekt schwindet, da muss ich jetzt Songs schreiben“, sagte Schulz - mit Verweis auf gemeinsame Youtube-Sichtungen. Da geht es laut Schulz um alte „Joko und Klaas“-Videos. Die Tochter („Papa, warst du da wirklich besoffen?“) ist wohl skeptisch hinsichtlich früherer väterlicher Unternehmungen.
Singen kann er immer noch nicht richtig gut, das wird in diesem Leben auch nix mehr und ist genau richtig so. Die neuen Schulziaden aus dem Alltag („Falsch erzählt“) sind wieder deswegen charmant, weil er keinen Top-Tenor hat, der die Weisheiten des Alltags klar herausschmettert.
Sein Podcast-Kollege Jan Böhmermann wäre wahrscheinlich heimlich gerne Popstar geworden, kann gar nicht anders sein; seinem satirischen musikalischen Werk ist bekanntlich eine überraschend starke Singstimme eigen. Der bessere Musiker ist dennoch Olli Schulz. „So muss es beginnen“, immer noch: Hammersong.
Olli Schulz zeigte in der Großen Freiheit eine große Heimatverbundenheit
Mochte das Konzert auch eine Sneak Preview des neuen Albums „Vom Rand der Zeit“ gewesen sein, es war auch eine Feier der Backlist. Zu der gehört „Als die Musik noch richtig groß war“, Olli Schulz‘ Reminiszenz an popkulturelle Prägungen. Das sind die, die ihn zu dem gemacht haben, der er ist. Mit seiner Band huldigte Schulz an diesem Abend der schönen Sache Songwriter-Pop.
Er tat es das dann irgendwie doch, bei aller anfänglichen Schelte, mit (Heimat-)Liebe. Sonst hätte er sicher nicht so viele alte Storys („Ich wusste, ich will nicht im Dachgeschoss in der Talstraße versauern“) erzählt. Er war dabei wie so oft ganz witzig, auch wenn klar wurde: Er hat das, bei aller Dampfschnackerei, immer ernst gemeint mit der Musik.
Vielleicht war die ihm immer ernster als alles andere. Olli Schulz ist trotzdem manchmal, fast wie Heinz Strunk und Olli Dittrich, ein Humorist. Schulz, Strunk, Dittrich: Die Hamburger Trias der früh Scheiternden, die verhältnismäßig spät groß herauskamen.
Es war viel los im Leben des Olli Schulz zuletzt. Der Vater starb, wenig später wurde sein Sohn geboren. Davon handelt das neue Lied „Silvester“, Olli Schulz sang es mit Emphase. Tiefsinn, Witz, Moral, Selbstironie: Die Schulz-Mixtur ist sicher noch ein wenig stärker konturiert als noch vor ein paar Jahren.