Hamburg. Swaantje Gieskes, Rosanna Terracciano und Phyllis Akinyi feiern die Weiblichkeit im Lichthof Theater – nicht immer schlüssig.

Der Flamenco ist ein sehr sinnlicher Tanz. Mit seinem Auftreten, den über dem Kopf verschränkten Armen und dem bekannten schwingenden Rüschenrock. So weit der erotisch aufgeladene Mythos, wie er sich in der verbreiteten Inszenierung der Novelle „Carmen“ von Prosper Mérimée darstellt.

Die Hamburger Choreografin Swaantje Gieskes folgt der opulenten Aufführungsgeschichte dieses Stoffes nicht. In ihrer Tanz-Performance „Free Carmen“, die im Lichthof Theater Premiere feierte, schreiten zunächst drei Tänzerinnen, unter ihnen die Choreografin selbst, nebeneinander auf drei Laufbändern.

Lichthof Theater Hamburg: „Free Carmen“ – Flamenco, bis das Blut fließt

Stolz marschieren sie einher mit erhobenem Kopf, den Körper in Body-Suits und Kurz-Blazer gehüllt, Flamenco-Schuhe an den Füßen. Nach und nach nehmen sie ausladende Arm- und Bein-Posen ein, treten scharf auf, lösen sich vom vorgezeichneten Weg und tanzen einen fröhlichen, sehr befreit wirkenden Flamenco.

Die begleitende Electro-Tonspur ist bisweilen etwas gewöhnungsbedürftig, besteht sie doch auch aus einzelnen Soundfetzen, die die Choreografin aus 56 Interviews zum Thema Flamenco extrahiert hat. Deren Sinn erschließt sich allerdings kaum.

Tanz im Lichthof Theater: Im ersten Teil feiert „Free Carmen“ die Weiblichkeit

Im ersten Teil liefert der Abend eine interessante Carmen-Dekonstruktion, die den Stoff und auch den Tanz von den impliziten Machtverhältnissen – und vom männlichen Blick befreit. Swaantje Gieskes, Rosanna Terracciano und Phyllis Akinyi feiern stattdessen ihre eigene, diverse Weiblichkeit. Sie tun das durchaus mit erotischen Posen. Aber sie behalten allzeit die Kontrolle. Mal lächeln sie, und mal sind sie schlecht gelaunt und schneiden Grimassen. Ein Flamenco-Gitarrist schaut kurz vorbei – um sehr schnell wieder zu verschwinden. Der Flamenco wird hier zum konsequenten Selbstermächtigungs-Tanz.

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Bald zieht sich das Trio in den Hintergrund zurück. Auf einen Gaze-Vorhang werden Nahaufnahmen der bloßen Körper projiziert. Am Ende fließt viel Kunstblut. Das kommt dann doch ein wenig unvermittelt und bildet eine Ebene zu viel. Im Nachgang franst das Konzept weiter aus. Es gibt starke Momente, etwa wenn Swaantje Gieskes erneut aufs Laufband tritt und auf dem immer schneller rotierenden Untergrund noch rhythmisch sehr exakte Flamenco-Schritte hinlegt. Oder wenn Rosanna Terracciano mit einem langen roten Rüschenrock wedelt, nachdem sie sich zuvor ganz in sein Inneres verkrochen hat. Die Übergänge der teils sehr lang erzählten Szenen sind etwas abrupt.

Es stecken viele kluge Überlegungen in diesem Abend, in dem jede der drei Performerinnen ihren eigenen Zugang zum Flamenco zelebriert. Und dem Publikum damit ganz neue Sichtweisen eröffnet.

„Free Carmen“, weitere Vorstellungen Fr 17.11., 19 Uhr, Sa 18.11., 20.15 Uhr, So 19.11., 18 Uhr, Lichthof Theater, Mendelssohnstraße 15b, Karten unter www.lichthof-theater.de