Hamburg. Albert Wiederspiel erklärt, er habe auf mehr sichtbare Unterstützung für Israelis sowie Jüdinnen und Juden in Deutschland gehofft.

„Die hässliche Fratze des Antisemitismus ist wieder da – auch bei uns, in Deutschland, fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.“ Es sind deutliche Worte, die Albert Wiederspiel, bis zu diesem Jahr Leiter des Filmfests Hamburg, findet. 21 Jahre lang hat er das Festival geprägt, sein Abschied fiel zusammen mit dem Überfall der Hamas-Terroristen am 7. Oktober auf Israel. Mit dem Tag, an dem „in Israel die Welt unterging. Juden und Jüdinnen wurden bestialisch ermordet und als Geiseln genommen. Es war kein Überfall auf den Staat Israel, sondern auf Menschen wie Sie und ich.“

Filmfest-Chef Wiederspiel: „Habe Solidarität mit Israel vermisst“

WIederspiel hat seine Gedanken jetzt auf der Website des Filmfests Hamburg veröffentlicht. Für ihn sei seit diesem Tag „nichts mehr wie es war“. Und er äußert sich auch dazu, wie er die Reaktion in Deutschland wahrgenommen hat: „Nach dem grausamen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 waren über Nacht vielerorts ukrainische Flaggen zu sehen. Es gab eine Unzahl an Solidaritätsbekundungen und Hilfsangeboten. Und richtig so! All das habe ich in den letzten Wochen sehr vermisst. Zum Konflikt zwischen Israel und Palästina darf jeder die Meinung haben, die er will. Aber als Jude in Deutschland hatte ich auf mehr Solidarität gehofft. Mit den Israelis, aber vor allem mit uns, den sogenannten deutschen Juden.“ Eine Einschätzung und Kritik, die in den vergangenen Wochen immer wieder zu hören war.

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Vier Wochen habe er gebraucht, um diese Zeilen zu formulieren. Weil er fassungslos gewesen sei ob der Ereignisse um ihn herum, „und weil ich einfach nicht wahrhaben wollte, was um mich passiert.“ Ausdrücklich dankt Wiederspiel den deutschen Politkern, die die richtigen Worte gefunden hätten: „Das war und ist ein großer Trost. Teilweise war es auch der einzige Trost.“ Unerträglich sei es für ihn, dass in Israel jetzt wieder ein Mehrfrontenkrieg stattfinde, der auf allen Seiten Menschenleben koste. „Ich denke an meine Verwandten und Freunde in Israel“, schreibt Wiederspiel. „An die jüdischen und die arabischen. Sie alle haben ein besseres Leben verdient.“

Albert Wiederspiel ist 1963 nach Dänemark ausgewandert

Albert Wiederspiel wurde 1960 in Warschau geboren, aufgrund antisemitischer Ausschreitungen in Polen musste er mit seiner Familie 1969 nach Dänemark auswandern. Er wuchs in Kopenhagen auf und studierte Filmwirtschaft in Paris. Später arbeitete er in leitender Funktion bei Firmen wie 20th Century Fox und Universal Pictures, um 2003 dann die Leitung des Filmfests Hamburg zu übernehmen, die er zum 1. Januar 2024 an seine Nachfolgerin Malika Rabahallah abgibt.

Am Montag ehrte der Hamburger Senat Albert Wiederspiel für seine langjährige Tätigkeit beim Filmfest mit einem Senatsfrühstück. Kultursenator Carsten Brosda (SPD) erklärte, Wiederspiel habe zusammen mit einem starken Team das Profil des Festivals erfolgreich international ausgerichtet, viele wichtige Filme nach Hamburg geholt und brennende Themen in den Fokus gerückt. „Insbesondere Albert Wiederspiels klare Haltung, sein Bewusstsein für weltpolitische Krisen und seine Solidarität mit Filmschaffenden, die von Repression und Verfolgung betroffen sind, habe ich immer bewundert. Gerade in Zeiten wie diesen, da der Nahostkonflikt neu entflammt ist und auch in Deutschland die Gewalt gegen jüdische Personen wieder zunimmt, schätze ich seine klare Positionierung und auch den persönlichen Austausch sehr.“