Hamburg. Amerikanische Rockband spielte am Montag ein Konzert vor 7000 Fans. Publikum war mehr in romantischer als in rockiger Stimmung.
Mathe-Klausur, Schulnote Drei plus. Irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes: Weder musste man sich vor bösen Blicken der Eltern fürchten, noch verdiente man sich ein paar lächelnde Emoticons im Heft oder gar ein Extra-Taschengeld für die gute Note (ohnehin ein pädagogisch fragwürdiges Mittel). Mit dem Konzert von Greta Van Fleet in Hamburg verhält es sich ganz ähnlich: schon besser als nur befriedigend – aber mehr auch nicht.
Die US-amerkanische Rockband Greta Van Fleet spielte am Montagabend in der ausverkauften Sporthalle. Die vier Musiker touren gerade im Rahmen ihrer „Starcratcher World Tour“ durch die Kontinente; in Deutschland sind sie nur zweimal zu sehen, nach Hamburg spielen sie noch in München am 28. November.
Greta Van Fleet in Hamburg: Zwei Vorbands bringen Fans in Stimmung
Während die 7000 Fans in der Halle eintrudeln, sorgen gleich zwei Vorbands für Stimmung: Musikerin Hannah Wicklund aus South Carolina macht den Anfang, nach ihr spielt ab 19.50 Uhr die in Deutschland noch weniger bekannte Indie-Rock-Band Mt. Joy. Die fünfköpfige Truppe startet entspannt in den Abend – die rauchige Stimme des Sängers Matt Quinn und die sanften Melodien lockern die allgemeine Montagsmüdigkeit auf.
Die Ruhe vor der Sturm? Oh ja: Schon bevor die vier Männer von Greta Van Fleet auf die Bühne treten, wird es episch. Dramatische Musik ertönt, die an eine „Herr der Ringe“-Melodie erinnert – dazu verwehrt ein Vorhang mit einem verschnörkelten A darauf die Sicht auf das Bühnenbild.
Konzert Hamburg: Greta Van Fleet spart nicht mit Feuer auf der Bühne
Mit einem Feuerwerk fällt der Sichtschutz: Die drei Brüder Joshua Kiszka (Gesang), Jacob Kiszka (Gitarre) und Samuel Kiszka (Bass) sowie der Schlagzeuger Daniel Wagner erscheinen. Sie eröffnen ihre Show mit dem Song „The Falling Sky“ aus ihrem im Juli 2023 erschienenen Album „Starcratcher“. Es ist die bisher dritte Platte der Band, die aus Frankenmuth in Michigan kommt.
Die schrille Stimme von Joshua klirrt ins Mirko, ohne dass es wehtut, und sie quäkt, ohne dass es nervig ist. Der 27-Jährige beweist: Schreien kann sich echt gut anhören. Unter Blitzlichtern und einem großzügigen Einsatz von Feuerstrahlen, weshlab Fans in der ersten Reihe wohl Angst um ihre Nasenhaare gehabt haben könnten, rocken die vier in ausgefallenen Glitzerklamotten ab.
Nur wenig Interaktion zwischen Greta Van Fleet und dem Publikum
Zwischendurch kommen immer mal wieder lange – sehr lange – Gitarrensolos, während denen der Sänger oft von der Bühne verschwindet, um in einem neuen Outfit wiederaufzutauchen. Musikalisch bewegt sich die Band auf hohem Niveau: Die Rockriffs sitzen, und auch Daniel zeigt an den Drums, dass er es draufhat.
Nach ein paar Songs wird die Akustik-Gitarre ausgepackt, bei der Performance des neuen Songs „Meet The Master“ wird es romantischer, der riesige Bühnenbildschirm zeigt einen Sternenhimmel. Die Interaktion zwischen Joshua und dem Publikum bleibt spärlich: So richtig textsicher sind die Fans nicht, worüber Joshua sichtlich nicht erfreut ist, und auf längere Ansprachen oder gar Anekdoten scheint der Sänger keine große Lust zu verspüren.
Konzert Sporthalle: Beim Song „Highway Tune“ singen viele Fans mit
Das ist schade, denn dadurch wirkt der Auftritt ein wenig distanzierter und kälter. „Der nächste Song könnte einer sein, den ihr kennt“, erklärt Joshua trotzig. Tatsächlich, diesmal kann die Menge mitsingen: „Highway Tune“ heißt der Track, der vor sechs Jahren erschienen ist (da war ein Teil der Band gerade mal 18 Jahre alt). Auf Spotify wurde das Musikstück mehr als 215 Millionen Mal angehört. Das Publikum tanzt und klatscht mit, hier und da hebt sich eine Rockerhand.
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Die Konzertgänger am Abend muss man nicht zwingend gendern, ein Großteil würde sich wohl definitiv als männlich bezeichnen. Alterstechnisch ist so gut wie alles dabei. Es scheint, als ob die Fans an diesem Montag eher in romantischer als in rockiger Stimmung sind: Die ruhigeren Songs von Greta Van Fleet ernten mindestens genauso viel, wenn nicht mehr Applaus als die härteren Tracks.
Sänger Joshua hatte im Juni 2023 sein Coming-out auf Instagram
Um 22.30 Uhr verlässt die Band die Bühne – doch natürlich kommt sie für eine Zugabe zurück. Während Greta Van Fleet den Song „Light My Love“ spielt, erstrahlen regenbogenfarbene Lichter die Nebelwand der Bühne. Endlich: Es ist das Zeichen, die subtile Message, auf die wohl viele an diesem Abend gewartet haben. Sänger Joshua hatte sich im Juni auf Instagram als homosexueller Mann geoutet und seine achtjährige, gleichgeschlechtliche Beziehung öffentlich gemacht.
Sein Coming-out sei nicht nur wichtig für ihn gewesen – er möchte sich auch generell für LGBTQ+-Rechte aussprechen. Nicht nur in seiner Wahlheimat Tennessee gebe es immer mehr Gesetze, die queerfeindlich seien, auch in anderen US-Staaten werde die Lage für queere Menschen zunehmend ungemütlicher. Von seinen Fans erhielt er dafür viel Zustimmung: Dankbare Kommentare wie „Das macht mich so glücklich“, „Das bedeutet mir viel“, und „Ich liebe dich“ sind unter dem entsprechenden Post zu lesen.
Greta Van Fleet in Hamburg: Solide Leistung – nicht mehr und nicht weniger
Zum Abschluss des Konzerts spielen die vier Männer den Song „Farewell For Now“, dazu regnen kleine glühende Feuerbällchen von der Decke. „Die sind zu jung für ihre Musik, die werden ihre Fans überleben“, sagt ein Mann zu seiner Begleitperson. Vielleicht hat er recht: Für heute aber hat Greta Van Fleet eine solide Leistung abgeliefert – eine Drei plus eben. Vielleicht sogar eine Zwei minus.